MII core dataset extension module oncology Comment of 6 June 2024 by the Institute for Quality and Efficiency in Health Care (IQWiG) (German version)
Die Medizininformatik‐Initiative (MII), gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, entwickelt ein standardisiertes elektronisches Austausch‐ und Nutzungsformat für medizinische Daten, die sowohl für die medizinische Forschung als auch für die Patientenbehandlung verwendet werden sollen. Dazu müssen die Daten sicher, verlustfrei sowie interoperabel digital ausgetauscht werden können, auch bei weiteren digitalen Anwendungen zum Beispiel beim Maschinellen Lernen und bei der Klinischen Entscheidungsunterstützung.
Für die gemeinsame, einrichtungsübergreifende Nutzung der Daten wird im Rahmen der MII ein Kerndatensatz definiert, der in inhaltlich gruppierte Module untergliedert ist und von allen MII‐Standorten umgesetzt wird. Der MII‐Kerndatensatz wurde seit 2019 in enger Kooperation mit HL7 Deutschland e.V. im HL7‐Standard FHIR spezifiziert. Grundlage dafür ist der gemeinsame onkologische Basisdatensatz (oBDS) in der aktuellen Fassung von 2021.
Das Kerndatensatzmodul umfasst die ausführliche Beschreibung der Primärdiagnose und Histologie, Angaben zu durchgeführten Therapien (samt Komplikationen und Nebenwirkungen) sowie krebsspezifischen Parametern wie der TNM‐Klassifikation, dem Verlaufs‐Staging und Tumorkonferenzempfehlungen.
Das IQWiG unterstützt die Ziele der MII. Im Folgenden werden Aspekte kommentiert, die sich aus dem gesetzlichen Auftrag des Instituts nach §139a SGB V ergeben:
Datennutzung für die vergleichende Bewertung von Therapien
Die Krebsregister haben ein großes Potenzial für die anwendungsnahe Erforschung von Therapien für Krebspatientinnen und ‐patienten. Sie könnten für den Vergleich verschiedener Therapieoptionen entweder in registerbasierte randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) oder auch in nicht randomisierten Therapievergleichen eingesetzt werden (etwa für die anwendungsbegleitende Datenerhebung [AbD], siehe auch Anwendungsbegleitende Datenerhebung bei neuen Arzneimitteln ‐ Gemeinsamer Bundesausschuss (g‐ba.de). Um diese Nutzung der Krebsregister zu unterstützen, möchte das IQWiG nachfolgende übergeordnete Anmerkungen übermitteln, die auch bereits zur Nutzung der Daten der klinischen Krebsregister für die AbD so in IQWiG‐Bewertungen beschrieben wurden:
Der Umfang des onkologischen Basisdatensatzes ist für die Studien zum Vergleich von Therapien in den oben genannten Kontexten regelhaft nicht ausreichend. Dies betrifft zum einen die Abgrenzung der jeweiligen Patientenpopulation für die zu untersuchenden Fragestellungen. Beispielsweise werden neben Angaben zur konkreten Tumordiagnose auch Angaben zu Komorbiditäten oder vorherigen Therapielinien benötigt. Des Weiteren fehlen Angaben zu potenziellen Störgrößen (Confoundern) und patientenberichteten Endpunkten (zur Symptomatik der Erkrankung und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität). Hinzu kommt, dass Nebenwirkungsdaten im Datensatz zwar erfasst, aber etwa bei den klinischen Krebsregistern nicht systematisch an die Register gemeldet werden. Vor diesem Hintergrund wäre es aus Sicht des IQWiG erforderlich, dass der Basisdatensatz auch kurzfristig für konkrete Studien in den Registern oder anderen Datenstrukturen ergänzt werden kann. Dadurch wäre es möglich, die den Basisdatensatz umfassende Datenerhebung als Teil von Studien für Therapievergleiche nutzen zu können.
Dokumentation der informierten Entscheidung der Patientinnen und Patienten
Onkologische Therapien erfordern in vielen Situationen eine sorgfältige Abwägung der Therapie‐Alternativen unter Einbeziehung der betroffenen Patientin oder des Patienten. Dazu ist eine (oft komplexe) Abwägung zwischen Vor‐ und Nachteilen der verschiedenen Therapie‐Alternativen nötig, die auch von den persönlichen Präferenzen der Patientinnen und Patienten abhängt.
Der Standard für diese Einbeziehung von Patientinnen und Patienten ist das Modell der gemeinsamen Entscheidungsfindung (Shared Decision Making): Ärztin/Arzt und Patientin/Patient vereinbaren zuerst miteinander, wie die Einbeziehung aussehen soll. In der Regel wollen Patientinnen und Patienten eine verständliche Erläuterung der Therapieoptionen, um dann gemeinsam mit den Fachleuten eine Entscheidung treffen zu können. Diese verständliche und umfassende Aufklärung ist auch im Patientenrechtegesetz verankert.
Die individuelle Entscheidung kann auch von einer ärztlichen Empfehlung (zum Beispiel einer Tumorkonferenz) abweichen.
Das IQWiG schlägt vor, im Kerndatensatz zu dokumentieren:
- die infrage kommenden Therapieoptionen
- die Therapie‐Entscheidung von Patientinnen und Patienten sowie
- die für die Unterstützung der Entscheidung eingesetzten Kommunikationsmittel, wie zum Beispiel Entscheidungshilfen.
Dadurch würde es möglich, die gerade in der Onkologie zentrale individuelle Entscheidungsfindung und ihre Handhabung in der Patientenversorgung abzubilden und für die Forschung zugänglich zu machen.
Elemente und Ankerpunkte für diese Dokumentation sind im MII Kerndatensatz und Modul Onkologie bereits vorhanden, zum Beispiel:
- Tumorkonferenz: CarePlan (MII IG Onkologie DE v2024 (medizininformatikinitiative.de))
- Therapieabweichung (MII IG Onkologie DE v2024 (medizininformatik‐initiative.de))
- Kerndatensatz Modul Consent (Medizininformatik Initiative ‐ Modul Consent ‐ ImplementationGuide (medizininformatik‐initiative.de))
Das IQWiG schlägt vor, diese Module durch die nötigen Datenfelder zu erweitern oder neue zu ergänzen. Diese Umsetzung benötigt ggf. konzeptionelle Vorbereitungen auf anderen Ebenen, wegen der zentralen Bedeutung der Entscheidungsfindung für die Qualität der Versorgung sollte der Prozess aber frühestmöglich angestoßen werden.