18.01.2018
Frühe Nutzenbewertungen: Zum Jahreswechsel die 220. Dossierbewertung abgeschlossen
Onkologie weiterhin mit großem Abstand häufigstes Indikationsgebiet
Im Lauf des Jahres 2017 hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) seine 200. Dossierbewertung abgeschlossen: Zum Jahreswechsel wurden die Ergebnisse der 216. bis 220. frühen Nutzenbewertung veröffentlicht. Ein Vergleich der Indikationsgebiete zeigt: Die Onkologie liegt sowohl bei der Zahl der untersuchten Wirkstoffe als auch beim Anteil der Wirkstoffe mit mindestens einem Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen weit vorn. Besonders niedrig ist der Anteil mit attestiertem Zusatznutzen bei den psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) kommt bei etwa 30 Prozent der Dossierbewertungen zu einem anderen Schluss als das IQWiG. Dabei fällt sein Urteil ungefähr gleich oft besser und schlechter aus als die Einschätzung des Instituts – überwiegend aufgrund neuer Erkenntnisse aus den Stellungnahmeverfahren zu den IQWiG-Bewertungen.
Mit den Jahren müssen IQWiG und G-BA immer häufiger denselben Wirkstoff erneut bewerten, entweder nach einer Befristung oder in einem neuen Anwendungsgebiet. Außerdem durchlaufen immer öfter mehrere Wirkstoffe für dieselbe Indikation eine frühe Nutzenbewertung. Vergleiche zwischen diesen Wirkstoffen wären sinnvoll, um die aus der frühen Nutzenbewertung gewonnenen Erkenntnisse besser in der Praxis verwenden zu können.
Bei Onkologika ist der Anteil mit Zusatznutzen am größten
Eine Auswertung über alle bis Ende 2017 abgeschlossenen Dossierbewertungen zeigt: Die Onkologie liegt weit vorn, während andere Erkrankungen, die in der Bevölkerung weit verbreitet sind und große Belastungen mit sich bringen, kaum einmal in einem Dossier auftauchen. Die neuen Wirkstoffe gegen Krebs weisen auch die höchste Erfolgsquote auf: Nur für etwa 40 Prozent ist ein Zusatznutzen nicht belegt oder der Nutzen sogar geringer als bei der Vergleichstherapie. Noch besser fällt die Bilanz bei neuen Arzneimitteln gegen Hepatitis C aus. Umgekehrt zeigen die Daten nur bei 20 Prozent der Antidiabetika und sogar nur bei gut 10 Prozent der Wirkstoffe aus der Psychiatrie und Neurologie einen Zusatznutzen.
Fortschritte durch Immuntherapien
„In der Onkologie haben wir in den letzten Jahren einige neue Therapieansätze gesehen, unter anderem die Immuntherapien“, meint dazu Thomas Kaiser, Leiter des Ressorts Arzneimittelbewertung beim IQWiG. „Vor allem für einige fortgeschrittene Krebserkrankungen mit bisher schlechter Prognose konnten wir klinisch bedeutsame Überlebensvorteile feststellen. Für einzelne Indikationen ist die Datenlage aus den Zulassungsstudien allerdings sehr dünn. Die neuen Wirkstoffe haben auch spürbare Nachteile, z. B. schwere Nebenwirkungen im Immunsystem. Aber der Zugewinn an Lebenszeit oder Lebensqualität wiegt in vielen Fällen schwerer. Gegenüber einigen Chemotherapien fällt auch die Bilanz zu den Nebenwirkungen positiv aus. Bei anderen Erkrankungen mit ähnlich großem Handlungsdruck, etwa Alzheimer-Demenz, gibt es leider keine vergleichbaren Fortschritte.“
IQWiG und G-BA stimmen zu 70 Prozent überein
In etwa 70 Prozent der Fälle schließt sich der G-BA in seinen Beschlüssen der Einschätzung des IQWiG zum Ausmaß des Zusatznutzens an. Die divergierenden Bewertungen lassen sich fast 50:50 aufteilen in Fälle, in denen der Zusatznutzen laut G-BA größer ist, und solche, in denen das IQWiG den Zusatznutzen höher eingeschätzt hat. Wichtigster Grund für diese Abweichungen sind neue Informationen aus den Stellungnahmeverfahren zu den IQWiG-Bewertungen, die in die G-BA-Beschlüsse einfließen.
Bisher keine Bezüge auf andere Dossierbewertungen
Eingeführt wurde die frühe Nutzenbewertung 2011 mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG). Nach nunmehr gut sechs Jahren hat sich das Bewertungsverfahren gut eingespielt. Doch den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im IQWiG fallen auch die Schwächen immer stärker ins Auge: Je öfter sie nacheinander mehrere Wirkstoffe aus demselben Indikationsgebiet bewerten, desto unübersichtlicher werden die Ergebnisse für die Nutzer. Denn Vergleiche mit bereits erfolgten Bewertungen anderer Wirkstoffe sind im Verfahren nicht vorgesehen. Vergleichende Bewertungen könnten aber Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten bei ihrer Entscheidung unterstützen.