Evidenzrecherchen
Das IQWiG unterstützt Leitliniengruppen bei der Erstellung von S3-Leitlinien
Das IQWiG unterstützt Leitliniengruppen bei der Entwicklung oder Aktualisierung von S3-Leitlinien . Dafür bietet das IQWiG die benötigte Evidenzgrundlage durch die Bereitstellung von systematischen Recherchen.
Von der Leitliniengruppe definierte Interventionsfragestellungen, Fragestellungen zur diagnostischen Güte oder qualitative Fragestellungen werden durch das IQWiG bearbeitet und in Form von Evidenzberichten zur Verfügung gestellt.
Die Voraussetzung für eine Unterstützung durch das IQWiG ist ein erfolgreich über die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) eingereichter Antrag beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
Das IQWiG kann eine Leitliniengruppe bei der Erstellung, Weiterentwicklung oder Aktualisierung einer S3-Leitlinie durch eine Evidenzrecherche unterstützen. Das IQWiG wird dazu vom BMG beauftragt.
Eine Evidenzrecherche kann eine oder mehrere Interventionsfragestellungen, Fragestellungen zur diagnostischen Güte oder qualitative Fragestellungen umfassen.
Zu jeder beauftragten Fragestellung erstellt das IQWiG einen Evidenzbericht.
Evidenzberichte des IQWiG bieten…
- die systematische Recherche nach Evidenz zu einer festgelegten Fragestellung.
- die transparente Darstellung der Suchstrategie und Suchergebnisse.
- die Bewertung der Vertrauenswürdigkeit der zur Verfügung stehenden Evidenz.
- eine zusammenfassende Darstellung in Evidenzprofilen inkl. Metaanalysen, sofern diese sinnvoll und durchführbar sind.
Interventionsfragestellungen
Unter Interventionsfragestellungen werden Fragestellungen zu präventiven (darunter auch Screening) und therapeutischen Maßnahmen sowie Diagnoseverfahren verstanden, sofern deren Evaluation sich nicht allein auf die diagnostische Güte beschränkt.
Die Fragestellungen werden gemäß PICO-Schema formuliert und enthalten folgende Domänen (mit Beispielen):
P | Population | Patientinnen und Patienten mit idiopathischem Parkinson-Syndrom und medikamentös nicht behandelbaren Fluktuationen |
I | Intervention (Prüfintervention) | bilaterale elektrische Stimulation des Nucleus subthalamicus |
C | Comparison (Vergleichsintervention) | medikamentöse (Standard-)Therapie |
O | Outcome (Endpunkte) | Motorische Funktionsfähigkeit (UPDRS III) und unerwünschte Ereignisse (Lähmungen, Sprachstörungen, Entzündungen) |
Fragestellungen zur diagnostischen Güte
Fragestellungen zur diagnostischen Güte beschränken sich ausschließlich auf die Aufbereitung der Evidenz zur diagnostischen Güte.
Die Fragestellungen werden gemäß PICO-Schema formuliert und enthalten folgende Domänen (mit Beispielen):
P | Population | Erwachsene (≥ 18 Jahre) mit Verdacht auf eine Gichtarthritis |
I | Indextest | Ultraschall: Doppelkontur-Zeichen und/ oder Tophus gemäß OMERACT -Definition |
C | Comparison (Referenztest) | mikroskopischer Nachweis von Natriumuratkristallen in der Gelenkflüssigkeit oder im periartikulären Gewebe |
O | Outcome ( Zielgröße) |
Diagnostische Güte (z. B. Sensitivität und Spezifität) |
Qualitative Fragestellungen
Qualitative Fragestellungen können beispielsweise Erfahrungen, Wahrnehmungen oder Erwartungen von Personen oder Personengruppen zu versorgungsrelevanten Themen umfassen. Solche Fragestellungen werden in der Regel nur dann bearbeitet, wenn keine Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien (RCT) oder nicht randomisierten vergleichenden Studien (Non-RCT) erwartbar ist.
Die Fragestellungen werden gemäß PICo-Schema formuliert und enthalten folgende Domänen (mit Beispielen):
P | Population | Patientinnen und Patienten mit Demenz sowie deren Angehörige |
I | Phenomena of Interest | Erfahrungen und Wahrnehmungen von Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen zum standardisierten Aufklärungsprozess über die Erstdiagnose |
C | Context | ambulantes Setting |
o | Others/ Outcome (Untersuchungskategorie) | Perspektive von Patientinnen und Patienten zur Lebensqualität und Alltagskompetenz, Perspektive von Angehörigen (Belastung, depressive Symptome) |
Sie sind Teil einer Leitliniengruppe und haben Interesse an der Unterstützung durch das IQWiG? Dann haben Sie 2 Möglichkeiten, um Ihr Vorhaben zu realisieren:
- Sie melden Ihr Leitlinienvorhaben bei der AWMF an und die AWMF leitet ihre Interessensbekundung an uns weiter.
- Sie treten direkt mit uns in Kontakt (evidenzberichte@iqwig.de). Dies kann vor oder auch parallel zur Anmeldung Ihres Leitlinienvorhabens bei der AWMF erfolgen.
Wir formulieren gemeinsam mit Ihnen und in Rücksprache mit der AWMF die konkreten Fragestellungen Ihres Themenvorschlags. Im Anschluss schlägt die AWMF dem BMG das entsprechende Leitlinienthema mit den konkretisierten Fragestellungen vor. Wird der Vorschlag vom BMG angenommen, beauftragt das BMG das IQWiG zur Unterstützung der Leitliniengruppe mit einer Evidenzrecherche.
Hinweis: Die AWMF ist Ihr primärer Ansprechpartner für Ihr Leitlinienvorhaben.
Detaillierte Informationen über die Antragseinreichung und die Rahmenbedingungen zum Unterstützungsangebots des IQWiG erhalten Sie bei der AWMF.
Zeitlicher Ablauf
Der zeitliche und ressourcenbedingte Umfang der Schritte 1-3 hängt von einigen Faktoren ab:
- Wie konkret haben Sie die potenziellen Fragestellungen in Ihrer Leitliniengruppe besprochen?
- Bei welchen Ihrer Fragestellungen soll das IQWiG Sie unterstützen?
- Wie zeitnah können Sie als Leitlinienkoordinierende Termine für Klärungs- und Konkretisierungsbedarfe ermöglichen? – Hilfreich ist es, wenn Sie bereits in diese Termine eine Person mit methodischer Expertise mit einbinden können.
Schritte 4-7 : Dieser Prozess kann ca. 2 Monate Zeit beanspruchen.
Schritte 8-12 : die Erstellung eines Evidenzberichts mit normalem Aufwand benötigt ca. 5 Monate – je nach Komplexität kann die Bearbeitungszeit abweichen.
Nachdem alle Evidenzberichte an die Leitlinienkoordinierenden übermittelt und auf der Internetseite des IQWiG veröffentlicht wurden, sollte die Leitlinie möglichst innerhalb von 6 Monaten finalisiert werden.
Die Kernelemente der Evidenzberichte sind die Berichtstabellen und die Evidenzprofile. Sie enthalten unter anderem wesentliche Informationen zu Einschlusskriterien, zur Informationsbeschaffung, zu Studiencharakteristika, zu Ergebnissen und zur Bewertung der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz mit entsprechenden Berechnungen und Meta-Analysen. Alle veröffentlichten Evidenzberichte finden Sie hier.
Beispiel für eine Interventionsfragestellung
Im Folgenden ist ein Auszug aus dem IQWiG-Projekt V21-08B „Operative Entfernung von Myomen versus keine Therapie“ dargestellt, einem Evidenzbericht zur S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie von benignen Erkrankungen der Gebärmutter“.
In diesem Evidenzbericht wurde folgende Interventionsfragestellung beantwortet: „Ziel des Evidenzberichts ist die Darstellung der Evidenz bezüglich der Effekte einer operativen Entfernung von Myomen im Vergleich zu keiner Therapie bei Patientinnen mit Kinderwunsch und ≥ 1 nachweisbarem Myom.“
Zur Beantwortung der Fragestellung wurden mit der Leitliniengruppe folgende Einschlusskriterien für den Evidenzbericht definiert:
Tabelle 1: Übersicht über die Kriterien für den Studieneinschluss (Ausschnitt aus Originaltabelle)
E1 | Population, die in den Studien berücksichtigt werden soll |
E2 | |
E3 | |
E4 | |
E5 | Für den zu erstellenden Evidenzbericht werden in erster Linie randomisierte kontrollierte Studien (RCT) als relevante wissenschaftliche Informationsquelle berücksichtigt. Nicht randomisierte Studien (Non-RCT) werden in der Regel nur berücksichtigt, wenn für die jeweilige PICO-Fragestellung große Effekte erwartbar sind. Non-RCTs müssen i.d.R. eine Kontrolle für wesentliche Confounder aufweisen. Welche Confounder berücksichtigt werden sollen, wird von der Leitliniengruppe festgelegt. |
E6 | Publikationssprache: Deutsch oder Englisch |
E7 | Vollpublikation verfügbara |
a. Als Vollpublikation gilt in diesem Zusammenhang auch ein Studienbericht gemäß ICH E3 oder ein Bericht über die Studie, der den Kriterien des CONSORT- oder TREND-Statements genügt und eine Bewertung der Studie ermöglicht, sofern die in diesen Dokumenten enthaltenen Informationen zur Studienmethodik und zu den Studienergebnissen nicht vertraulich sind. | |
CONSORT: Consolidated Standards of Reporting Trials; ICH: International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use; RCT: randomisierte kontrollierte Studie; TREND: Transparent Reporting of Evaluations with Nonrandomized Designs |
Beispiel für eine Fragestellung zur diagnostischen Güte
Im Folgenden ist ein Auszug aus dem IQWiG-Projekt V22-06A „Testgüte verschiedener Verfahren zur Diagnose der Gicht“ dargestellt, einem Evidenzbericht zur S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Gicht “.
Zur Beantwortung der Fragestellung wurden mit der Leitliniengruppe folgende Einschlusskriterien für den Evidenzbericht definiert:
Tabelle 1: Übersicht über die Kriterien für den Studieneinschluss
E1 | |
E2 |
|
E3 | |
E4 | |
E5 | Studientyp: prospektiv geplante Querschnitts- und Kohortenstudienb |
E6 | Publikationssprache: Deutsch oder Englisch |
E7 | Vollpublikation verfügbarc |
a. Es werden jeweils beide Begriffe – Tophus und Tophi – berücksichtigt. b. Zentrale Aspekte der Ergebnissicherheit bei Studien zur diagnostischen Güte sind der konsekutive Einschluss der Patientinnen und Patienten und die Dokumentation fehlender Werte. Bei ausreichender Anzahl und Qualität werden nur die Studien eingeschlossen, die diese Voraussetzungen erfüllen. c. Als Vollpublikation gilt in diesem Zusammenhang auch ein Bericht über die Studie, der den Kriterien des STARD- oder STROBE-Statements genügt und eine Bewertung der Studie ermöglicht, sofern die in diesen Dokumenten enthaltenen Informationen zur Studienmethodik und zu den Studienergebnissen nicht vertraulich sind. | |
ACR: American College of Rheumatology; DECT: Dual-Energy-Computertomografie; EULAR: European League Against Rheumatism; OMERACT: Outcome Measures in Rheumatology; STARD: Standards for the Reporting of Diagnostic Accuracy; STROBE: Strengthening the Reporting of Observational Studies in Epidemiology |
Gesetzliche Grundlage SGB V: §§ 139a Abs. 3 Nr. 3, 139b Abs. 6
Gemäß dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) kann die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Leitlinien vorschlagen, bei denen das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) deren Entwicklung oder Aktualisierung mit Evidenzrecherchen unterstützen soll.