Lesehilfe für Dossierbewertungen
Ob Patientin, Ärztin oder Journalist: Wer nur selten in eine Dossierbewertung schaut, findet sich womöglich nicht gleich zurecht. Hier empfehlen wir Ihnen eine Reihenfolge zum Querlesen.
Dossierbewertungen gliedern sich in fünf Kapitel (1. Hintergrund, 2. Nutzenbewertung, 3. Kosten der Therapie, 4. Zusammenfassung, 5. Literatur) plus Anhänge.
Wenn Sie noch nie eine Dossierbewertung gelesen haben, überfliegen Sie zunächst Abschnitt 1.2. Das ist ein Standardtext zum Verfahren der frühen Nutzenbewertung, ergänzt um Besonderheiten – etwa Hinweise auf andere Dossierbewertungen zum selben Wirkstoff mit anderer Indikation, auf eine abgelaufene Befristung eines älteren Beschlusses usw.
Kapitel 2: Nutzenbewertung
Beginnen Sie mit der Kurzfassung (2.1) der Nutzenbewertung. Hier sind Hintergrund, Fragestellung, Ergebnisse, Wahrscheinlichkeit und Ausmaß des Zusatznutzens sowie die Patientengruppen mit therapeutisch bedeutsamem Zusatznutzen zusammengefasst. Manchmal gibt es ergänzende Hinweise, etwa wenn der Wirkstoff der Behandlung seltener Erkrankungen dient (siehe unten: Sonderfall Orphan Drug). Die Tabelle mit den Bewertungsergebnissen ist identisch mit der im Ergebnis-Abschnitt von Kapitel 2 und in der Zusammenfassung in Kapitel 4.
Wenn Sie Näheres zu den in der Kurzfassung angesprochenen Themen wissen möchten, lesen Sie weitere Abschnitte in Kapitel 2. Achtung: Viele Dossierbewertungen behandeln mehr als eine Fragestellung; dann wiederholt sich der Block mit diesen Abschnitten. Daher können wir hier keine Abschnittsnummern angeben. Wir empfehlen folgende Reihenfolge:
- Fragestellung
Bei mehreren Indikationen bzw. Patientengruppen gibt eine Tabelle einen Überblick über die jeweils zweckmäßigen Vergleichstherapien. „Zweckmäßige Vergleichstherapie“ ist der Fachbegriff für die etablierte Standardtherapie, mit der der neue Wirkstoff verglichen wird. - Ergebnisse
Nutzen und Schaden des Wirkstoffs werden zunächst getrennt nach vier Kategorien patientenrelevanter Endpunkte dargestellt und dann zusammengefasst. Die Kategorien sind Mortalität (Sterblichkeit), Morbidität (Beschwerden und Komplikationen), unerwünschte Ereignisse (Nebenwirkungen) und gesundheitsbezogene Lebensqualität. Was wir darunter verstehen, steht in Kapitel 3 der "Allgemeinen Methoden" des IQWiG. - Wahrscheinlichkeit und Ausmaß des Zusatznutzens
Die Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie ist aufsteigend gestaffelt nach
- Anhaltspunkt: schwächste Aussagesicherheit,
- Hinweis: mittlere Aussagesicherheit,
- Beleg: höchste Aussagesicherheit.
Das Ausmaß des Zusatznutzens ist aufsteigend gestaffelt nach
- gering: niedrigstes Ausmaß,
- beträchtlich: mittleres Ausmaß,
- erheblich: höchstmögliches Ausmaß.
Gibt es keinen Anhaltspunkt, so ist ein Zusatznutzen „nicht belegt“. Außerdem kann ein Zusatznutzen „nicht quantifizierbar“ sein, wenn die Datenlage keine Quantifizierung hergibt. Ist der neue Wirkstoff der zweckmäßigen Vergleichstherapie sogar unterlegen, spricht man von einem „geringeren Nutzen“. Die Kriterien sind in Anhang A der "Allgemeinen Methoden" erläutert.
Wenn Sie wissen möchten, welche Studien der Hersteller im Dossier vorgelegt hat, ob das IQWiG weitere Studien gefunden hat und welche dieser Studien für die Bewertung relevant waren, lesen Sie anschließend die Abschnitte „Informationsbeschaffung und Studienpool“ sowie „Liste der eingeschlossenen Studien“.
In den „Kommentaren zum Dossier des pharmazeutischen Unternehmers“ finden Sie bei besonderem Interesse weitere Ausführungen zum Vorgehen des Herstellers – etwa zur zweckmäßigen Vergleichstherapie, zu sogenannten Surrogatendpunkten (Daten, die in den Studien anstelle der patientenrelevanten Endpunkte erhoben wurden), zu indirekten Vergleichen zwischen dem Wirkstoff und der zweckmäßigen Vergleichstherapie usw.
Kapitel 3 – 5
Wer sich für die Kosten einer Therapie und die Häufigkeit der Erkrankung interessiert, findet diese Informationen in Kapitel 3. Die meisten Querleser können die Kapitel Zusammenfassung und Literatur überspringen. Die Tabelle zum Zusatznutzen in der Zusammenfassung (Kapitel 4) ist mit der in Kapitel 2 identisch.
Anhänge
In den Anhängen finden sich regelmäßig Angaben zu Interessenkonflikten der in die Bewertung eingebundenen Sachverständigen und Betroffenenvertreter. Zusätzlich können die Anhänge auch Informationen zu Studien enthalten. Manchmal stehen diese Informationen im Mittelpunkt des Interesses: Hier werden etwa Studien charakterisiert, auf die die Fachöffentlichkeit u. U. große Hoffnungen gesetzt hat, die aber zum Beispiel wegen abweichender Fragestellungen nicht in die Nutzenbewertung einfließen konnten.
Sonderfall Addendum
Addenda ergeben sich aus Zusatzaufträgen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Abgabe einer Dossierbewertung. Sie sind meist kurz. Oft gibt es einen Abschnitt zur Gesamtaussage zum Zusatznutzen, gelegentlich aber nur eine Zusammenfassung – etwa dann, wenn das IQWiG eine Studie darstellt, aus der sich keine Aussage zum Zusatznutzen des Wirkstoffs ableiten lässt.
Sonderfall Orphan Drug
Bei Arzneimitteln zur Behandlung seltener Erkrankungen, sogenannten Orphan Drugs, gilt der Zusatznutzen mit der Zulassung bereits als belegt. Das IQWiG bewertet in solchen Fällen lediglich die Angaben des Herstellers zu den Patientenzahlen und Therapiekosten. Sobald allerdings mit einem solchen Mittel ein Jahresumsatz über 30 Millionen Euro erzielt wird, durchläuft es eine reguläre frühe Nutzenbewertung, und das IQWiG erstellt eine normale Dossierbewertung.