Wissenschaftliche Bewertung von Früherkennungsuntersuchungen zur Ermittlung nicht übertragbarer Krankheiten: Stellungnahme zur vom BMUV geplanten Änderungen an der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift
Änderung der Allgemeine Verwaltungsvorschrift (AVV) zur wissenschaftlichen Bewertung von Früherkennungsuntersuchungen zur Ermittlung nicht übertragbarer Krankheiten (StrlSchGVwV‐Früherkennung)
Stellungnahme vom 30.03.2025 des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum Entwurf des BMUV (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz) vom 13.03.2025
1 Vorbemerkung
Das IQWiG, das als regelhaftes Mitglied in den BfS‐Sachverständigengruppen mitwirkt, dankt für die Möglichkeit zu der geplanten AVV‐Änderung Stellung nehmen zu dürfen. Aus IQWiGSicht haben sich die Vorgaben der 2018 erlassenen AVV als sinnvoll und praktikabel erwiesen.
2 Einzelfragestellungen zu bereits zugelassenen Früherkennungsuntersuchungen
Die neu in der AVV in Abschnitt 8 aufgenommene „Wissenschaftliche Bewertung von Einzelfragestellungen zu bereits zugelassenen Früherkennungsuntersuchungen“ erscheint ebenfalls
sehr sinnvoll, weil dem BMUV so die BfS‐Zuarbeit auch zu kleineren Fragen ermöglicht wird. Die Form der Beteiligung der Fachkreise (inklusive IQWiG) und die Frist hierfür (ein Monat)
sind angemessen.
Hilfreich wäre es, wenn die in dieser Form zu bearbeitenden „kleinen“ Einzelfragestellungen gegenüber den „großen“ Fragestellungen zur Bewertung neuer Früherkennungsmethoden in der AVV besser abgegrenzt werden könnten. Das BfS hat sich in der Vergangenheit mit der Ausweitung der Mammografie auf Frauen über 70 bzw. unter 50 Jahren beschäftigt, obwohl die Mammografie bereits für 50‐ bis 70‐jährige Frauen strahlenschutzrechtlich zulässig war.
Hieraus lässt sich erkennen, dass eine Erweiterung des Personenkreises als „große“ Fragestellung gewertet wurde. Dies sollte so beibehalten und in der AVV festgeschrieben werden: Eine Erweiterung der Zielgruppe (gemäß 3.2.2.1 AVV) kann nicht als Einzelfragestellung bearbeitet werden.
In ähnlicher Weise gilt es die Abgrenzung zwischen neuen und nur geringfügig modifizierten Früherkennungsmethoden zu präzisieren. Beispielsweise wäre eine Früherkennungs‐ Computertomografie (CT) der Lunge vermutlich keine neue Methode, wenn die Bildauflösung der CT geringfügig erhöht wird. Wenn sich aber die Strahlenbelastung deutlich erhöht oder wenn durch Hinzunahme autonomer Künstlicher Intelligenz (KI) die Testgüte relevant verändert werden könnte, sollten diese Methoden als „große“ Fragestellungen vom BfS geprüft werden. In Anlehnung an die Verfahrungsordnung des G‐BA ( Gemeinsamer Bundesausschuss) empfehlen wir, die Kriterien oder den Begriff des neuen theoretischwissenschaftlichen Konzepts als Abgrenzungskriterium in der AVV festzulegen.
So könnte man als zweiten Satz in Abschnitt 8 einfügen:
„Nicht als Einzelfragestellung kann die wissenschaftliche Bewertung einer Früherkennungsuntersuchung
gelten, wenn diese Früherkennungsuntersuchung a) in einer weiteren als der
bislang zulässigen Zielgruppe angewendet werden soll oder b) sich in ihrem theoretischwissenschaftlichen
Konzept (insbesondere in ihrem Wirkprinzip oder ihrer organspezifischen
Strahlendosis) von bereits zugelassenen Früherkennungsuntersuchungen relevant unterscheidet.“
3 Weitere geringfügige Anpassungen
In Absatz 3.2.1 wäre eine redaktionelle Anpassung sinnvoll. Denn dort wird erstens auf „systematische Übersichtsarbeiten randomisierter prospektiver klinischer Studien“ hingewiesen. Weil randomisierte Studien immer prospektiv sind, sollte dieses Adjektiv entfallen oder ersetzt werden. Zweitens werden „evidenzbasierte positive Empfehlungen in hochwertigen Leitlinien“ als Informationsquelle genannt. Die Eingrenzung auf „positive“ Empfehlungen ist missverständlich,
weil sie suggeriert, dass negative Empfehlungen keinen Stellenwert hätten, was einem selektiven und damit verzerrten Vorgehen entspräche. Anzuraten ist das Streichen des Adjektivs:
„Es werden möglichst nur Publikationen der höchsten Evidenzstufe berücksichtigt, insbesondere systematische Übersichtsarbeiten randomisierter kontrollierter klinischer Studien, sowie evidenzbasierte Empfehlungen in hochwertigen Leitlinien.“