Stellungnahme zur wissenschaftlichen Bewertung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) der Dual-Röntgen-Absorptiometrie zur Früherkennung der primären Osteoporose

06.10.2024

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Dual-Röntgen-Absorptiometrie zur Früherkennung der primären Osteoporose

Stellungnahme vom 6.10.2024 des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zur wissenschaftlichen Bewertung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS)

Der vorliegende des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) kommt zu dem Schluss, dass für die DXA zur Früherkennung einer Osteoporose „von einem ausreichend hohen Nutzen-Risiko-Verhältnis ausgegangen werden“ kann. Es zeige sich auf der Nutzenseite „auf Grundlage schwacher … eine Reduktion des Risikos für Hüftfrakturen“. Das Institut teilt diese Einschätzung nicht und sieht insbesondere keine wissenschaftliche Grundlage für die Schlussfolgerung, dass von einem ausreichend hohen Nutzen-Risiko-Verhältnis für die DXA zur Früherkennung einer Osteoporose ausgegangen werden kann. Der BfS-Bericht weist Schwächen bei der inhaltlichen Bewertung und der statistischen Interpretation der Daten auf. Darüber hinaus ist auch die Informationsbeschaffung ungeeignet, um die Vollständigkeit der Studien sicherzustellen.

In die Analyse des BfS wurden drei randomisierte Studien eingeschlossen. Primär sollten die Ergebnisse nach dem (ITT) ausgewertet werden. Zusätzlich sollten Sekundäranalysen durchgeführt werden, die nur die Teilnehmerinnen enthielten, für die ausreichende Informationen zum Frakturrisiko und zum vorlagen. In den
Primäranalysen zeigte sich in den metaanalytischen Zusammenfassungen für keinen Frakturendpunkt ein statistisch signifikantes Ergebnis. Auch bei den Sekundäranalysen zeigte sich zumeist kein statistisch signifikantes Ergebnis, lediglich für einen der untersuchten Frakturendpunkte (Hüftfrakturen) ergab sich in der Metaanalyse als Teil der Sekundäranalysen ein statistisch signifikantes Ergebnis zugunsten der DXA-Gruppe. Dieses eine statistisch signifikante Ergebnis aus der Sekundäranalyse, welches in der Primäranalyse nicht sichtbar ist, wurde selektiv zur Ableitung eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses herangezogen.

Zunächst ist anzumerken, dass für die Frage, ob Frauen ein Screening mittels DXA angeboten werden sollte, die primäre Analyse mit Anwendung des ITT-Prinzips relevant ist. Dies entspricht auch der Planung des BfS-Berichts. Nur diese Analyse stellt die per angestrebte Strukturgleichheit der zu vergleichenden Gruppe sicher und sollte ausschlaggebend für die Bewertung sein. Unabhängig davon bestehen grundsätzlich erhebliche Zweifel an der Aussagekraft der Sekundäranalysen, auch und insbesondere für den Hüftfrakturen. Denn während die Ergebnisse der beiden Studien SCOOP und SOS (nahezu) unverändert in die beiden Metaanalysen für Primär- und Sekundäranalyse eingehen, verändert sich das Ergebnis der Studie ROSE deutlich und begründet damit allein das statistisch signifikante Ergebnis für den Hüftfrakturen in der Sekundäranalyse. Während das Ergebnis der Primäranalyse für ROSE keinerlei Hinweis auf einen Unterschied zwischen den untersuchten Gruppen zeigt ( [RR] geschätzt: 1,01; 95%- : [0,90; 1,14]), verschiebt sich das Ergebnis der Sekundäranalyse merklich zugunsten der DXA-Gruppe (RR: 0,84; KI: [0,68; 1,03]). Dabei fällt insbesondere auf, dass nur etwa 54% (18.605/34.229) der randomisierten Teilnehmerinnen der Studie ROSE in die Sekundäranalyse einbezogen wurden und insbesondere negative Ereignisse in der DXAGruppe (Hüftfrakturen) nicht in die Auswertung eingehen. Dies legt nicht nur deutliche Qualitätsprobleme bei der Durchführung der ROSE-Studie im Vergleich mit den beiden anderen eingeschlossenen Studien nahe. Diese Nichtberücksichtigung von fast der Hälfte der in die Studie eingeschlossenen Teilnehmerinnen und selektiv eines größeren Anteils von Hüftfrakturen in der DXA-Gruppe kann insbesondere zu einer erheblichen der Ergebnisse führen. Dennoch kommt der BfS-Bericht aufgrund dieses potenziell hoch verzerrten Ergebnisses der Sekundäranalyse zu einer positiven Schlussfolgerung. Damit ignoriert der BfS-Bericht das eigene Primärergebnis mit geringerem Verzerrungspotenzial (keinerlei Hinweis auf einen Unterschied in den Metaanalysen zwischen der DXA-Gruppe und der Kontrollgruppe über mehrere Endpunkte hinweg) und auch die übrigen Ergebnisse der Sekundäranalyse (keine auffälligen Unterschiede zwischen den Studiengruppen in den Metaanalysen zu anderen Endpunkten). Dies ist sowohl inhaltlich als auch methodisch inadäquat.

Unabhängig davon haben die in den BfS-Bericht eingeschlossenen Studien in großen Teilen gar nicht die Fragestellung des BfS-Berichts adressiert (Früherkennung einer primären Osteoporose). Denn die Studien haben, teilweise in größerem Umfang, auch Personen mit sekundärer Osteoporose oder begründetem Osteoporose-Verdacht aufgrund vorhergehender Frakturen eingeschlossen. Da die Einschlusskriterien sich nicht auf die Fragestellung des Berichts beziehen (Früherkennung einer primären Osteoporose), sondern generell Studien zur „Allgemeinbevölkerung“ einschließen sollen, liegt hier bereits ein grundlegender konzeptioneller Fehler vor.

Darüber hinaus ist die im dargestellte Informationsbeschaffung nicht geeignet, die Vollständigkeit der Suchergebnisse sicherzustellen. Die Suchstrategien in PubMed wurden nicht in ausreichender umgesetzt. Zudem wurde die Informationsbeschaffung nicht im erwartbaren Umfang transparent dargestellt. Das genaue Vorgehen ist in Teilen unklar. Im Detail sind insbesondere folgende Mängel festzustellen:

  • Die Suchstrategien in PubMed wurden nicht in ausreichender umgesetzt. Die angegebene Gates 2023 ist mit der in Anhang A.1 angegeben Suchstrategie zur Identifikation systematischer Übersichten in PubMed nicht zu identifizieren, ursächlich dafür ist die Suchzeile #4 zur Intervention. Gates 2023 ist in den darüber hinaus berücksichtigten Datenbanken nicht indexiert. Somit ist unklar, wie die Übersicht Gates 2023 identifiziert wurde. Ein Flussdiagramm zur Suche nach systematischen Übersichten fehlt im Bewertungsbericht. Zu weiteren Ergebnissen dieser Suche und zur Auswahl systematischer Übersichten werden keine Angaben gemacht. Es finden sich insbesondere keine Aussagen, ob weitere Übersichten identifiziert wurden und um welche es sich dabei ggf. handelte. Ebenfalls fehlen Angaben, die zur Auswahl von Gates 2023 geführt haben, beispielsweise wird das Ergebnis der in Abschnitt 2.2.1 beschriebenen Bewertung systematischer Übersichten mit dem Instrument AMSTAR 2 nicht berichtet.
  • Ebenfalls sind mit der Suche nach RCT, unabhängig von der verwendetet zeitlichen Limitierung, nur 2 der 3 im eingeschlossenen Publikationen mit der dokumentierten Suchstrategie in PubMed zu erfassen und nur 2 der 7 in Gates eingeschlossenen Publikationen. Ursächlich ist hier ebenfalls die Suchzeile #4 zur Intervention. Vor diesem Hintergrund ist nicht sichergestellt, dass die Studienlage mit der Suche nach Einzelstudien vollständig erfasst wurde.
  • In der Abbildung 1 „PRISMA-Flussdiagramm der Literaturselektion“ ist unklar welche Suchquelle mit "Referenzen aus Handsuche" gemeint ist und woher die 9 angegebene Referenzen resultieren. Im Fließtext (Zeile 473) wird darauf hingewiesen, dass eine in 2010 begonnene Studie (Referenz 31, POROS) ohne berichtete Ergebnisse mit der "Handsuche" identifiziert wurde. In der Methodik des Bewertungsberichts wird jedoch keine "Handsuche" beschrieben.
  • Als Ergänzung zur Recherche in bibliografischen Datenbanken wird die Sichtung von Referenzlisten erwähnt sowie eine Suche in den Studienregistern CT.gov, EU-CTR und DRKS nach bisher unveröffentlichten Studien. Eine Dokumentation der Suche in Studienregistern fehlt jedoch (Suchstrategien und Flussdiagramm). Ob die Suche in den genannten Studienregistern daher geeignet war, weitere und insbesondere auch potenziell bislang unpublizierte Studien zu identifizieren, bleibt daher unklar.

Anmerkung

Dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) wurde diese IQWiG-Stellungnahme im vorgegebenen BfSTemplate übermittelt. Hier wird das IQWiG-Layout für Stellungnahmen verwendet. Der Text ist identisch.