Stellungnahme des IQWiG zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit für eine Verordnung über die Verfahrensgrundsätze der Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung und im Krankenhaus
(Methodenbewertungsverfahrensverordnung – MBVerfV)
Die Verordnung verfolgt das verständliche Ziel, die Verfahrensabläufe bei Anträgen nach §§°135 und 137c zu beschleunigen. Diesem Ziel stehen allerdings zahlreiche Detailregelungen entgegen, die alle zu erheblichem Mehraufwand bzw. mangels klarer Festlegungen zu zeitaufwändigen Abstimmungen führen werden und damit das eigentliche Ziel konterkarieren. Für einzelne dieser Regelungen ist zu befürchten, dass sie Methodenbewertungen zukünftig extrem erschweren bzw. unmöglich machen werden.
Das IQWiG konzentriert sich im Folgenden auf Anmerkungen, die die eigene Arbeit betreffen.
In den folgenden Punkten sehen wir Änderungsbedarf:
Änderungsvorschlag zu § 4, Absatz 1:
(1) Für die Bewertung einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nach § 135 Absatz 1 oder § 137c Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist der aktuelle Stand der medizinischen Erkenntnisse zu ermitteln. Der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt seine Geschäftsstelle, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen oder eine andere fachlich unabhängige wissenschaftliche Institution mit der Recherche, Darstellung und Bewertung des (vorhandenen) aktuellen Wissensstandes, insbesondere im Wege einer systematischen Literaturrecherche
Begründung:
Die geänderte Formulierung entspricht der in § 139a, Abs.3 1 beschriebenen, hier einschlägigen Aufgabe des IQWiG. Die Recherche allein ist im Übrigen für die Entscheidungsfindung im G-BA nicht hilfreich und entspricht auch nicht § 139b, Abs.4 SGB V
Änderungsvorschlag zu §4, Absatz 3:
(3) (In) Für die Ermittlung des aktuellen Standes der medizinischen Erkenntnisse können (sind) die nachfolgenden Unterlagen und Nachweise genutzt werden (einzubeziehen und auszuwerten):
- für die Bewertung diagnostischer Methoden […]
- für die Bewertung therapeutischer Methoden […]
Begründung:
Es ist missverständlich, wenn mit dem ersten Satz anscheinend vorgegeben wird, dass in jedem Methodenbewertungsverfahren sämtliche nachfolgend genannten Evidenzstufen „einzubeziehen und auszuwerten“ sind. Eine solche Verpflichtung ist weder für die Methodenbewertung noch für die Planung evtl. Erprobungsstudien notwendig. Sie wird von keiner internationalen Institution praktiziert, wäre extrem (zeit)aufwendig, in den vorgegebenen Fristen nicht zu leisten und – da im Ergebnis überaus fragwürdig – in jeder Beziehung unwirtschaftlich.
Änderungsvorschlag zu §7, Absätze 2 und 3, jeweils Punkt 4:
(4. Aussetzung des Methodenbewertungsverfahrens für einen befristeten Zeitraum, wenn der Nutzen der Methode noch nicht hinreichend belegt ist und auch noch nicht festgestellt werden kann, ob die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, aber zu erwarten ist, dass in naher Zukunft Erkenntnisse vorliegen, die zumindest die Feststellung des Potentials einer erforderlichen Behandlungsalternative ermöglichen werden.)
Begründung:
Eine Aussetzung von Methodenbewertungsverfahren kann sinnvoll sein, um bei vorhandenem Potenzial ohne eigene Erprobung eine andernorts laufende Studie zum Nutzennachweis abzuwarten. Denn Studien zum Nutzennachweis sind über WHO-akkreditierte Studienregister einfach zu identifizieren. Es wäre daher sinnvoll und im Sinne einer stringenten Evidenzgenerierung hoch effizient, wenn dem G-BA in dieser Situation die Aussetzungsmöglichkeit eingeräumt würde. Diese Möglichkeit kann mit einer Höchstdauer, z. B. 2 Jahre, versehen werden, um so absehbare, für die Entscheidungsfindung des G-BA relevante Erkenntnisse abzuwarten.
Eine Aussetzung, um auf Studien zur Feststellung des Potenzials zu warten, ist jedoch sinnlos. Derartige Studien sind kaum in Studienregistern verzeichnet. Da auch versäumt wurde, in der MDR (Medical Device Regulation) eine öffentliche Studienregistrierung festzuschreiben, ist es schlicht unmöglich, festzustellen, ob „in naher Zukunft Erkenntnisse vorliegen, die zumindest die Feststellung des Potentials einer erforderlichen Behandlungsalternative ermöglichen werden“. Diese Regelung der MBVerfV würde daher nicht oder – was schlimmer wäre – allenfalls erratisch umgesetzt werden können.
Köln, 3. Juni 2020