DiGA-Verordnung: Stellungnahme zum Entwurf der 2. Änderungsverordnung

30.01.2025

Mit dem Entwurf der 2. Verordnung zur Änderung der Digitale Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV-ÄndV) werden für die allgemeine Nutzung von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) die Rahmenbedingungen einer anwendungsbegleitenden Erfolgsmessung festgelegt. Das IQWiG nimmt Stellung zu den Vorschlägen.

Vorbemerkung

Mit dem vorgelegten Verordnungsentwurf werden für die allgemeine Nutzung von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) die Rahmenbedingungen einer anwendungsbegleitenden Erfolgsmessung (AbEM) festgelegt. Das IQWiG begrüßt den Plan, mithilfe valider und transpa-renter AbEM-Daten den Qualitätswettbewerb der DiGA-Produkte untereinander zu fördern. Aus IQWiG-Sicht erscheinen die AbEM-Vorgaben insgesamt gut gelungen, wobei stets mitbedacht werden muss, dass die entscheidende für neue DiGA nicht durch AbEM, sondern durch vergleichende klinische Studien zum Nachweis positiver Versorgungseffekte generiert wird (gemäß §§ 10 bis 11 DiGAV). Sinnvoll ist insbesondere die Kombination verschiedener technischer und patientenberichteter AbEM-Daten, so wie dies auch im BMG-Workshop am 27. August 2024 diskutiert wurde. Allerdings erscheinen für das Ziel der AbEM einzelne Nachbesserungen im Verordnungsentwurf sinnvoll. Zu den weiteren, nicht AbEM-bezogenen Inhalten der 2. DiGAV-ÄndV nimmt das IQWiG keine Stellung.

1 Datenerfassung begrenzen und vereinheitlichen

Es ist vorgesehen, die Dauer und Häufigkeit der DiGA-Nutzung (§23c), die Patienten-zufriedenheit und den patientenberichteten allgemeinen Gesundheitszustand (§23d) sowie den patientenberichteten krankheitsspezifischen Gesundheitszustand (§23e) zu erfassen. Das IQWiG begrüßt es, dass zum letztgenannten Zweck allein indikationsspezifische, wissen-schaftlich validierte Fragebögen angewendet werden sollen. Es besteht jedoch das , dass solche Fragebögen mit einem Umfang von z. B. mehr als 30 Items zum Teil zu aufwändig sind, um eine aussagekräftige Rücklaufquote zu erzielen. Es wird daher angeregt, Fragebögen „geeigneter Länge“ in §23e festzuschreiben. Ansonsten besteht das Risiko, dass Hersteller durch Auswahl besonders umfangreicher Fragebogen die AbEM-Ziele unterlaufen.

Laut Verordnungsentwurf (§23e Satz 3 neu) melden die Hersteller, welchen indikations-spezifischen Fragebogen sie für die Datenerhebung auswählen. Es überrascht, dass hierbei weder eine Begründungspflicht für den Hersteller noch eine Widerspruchsmöglichkeit des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgesehen ist. Für eine sinn-volle indikationsspezifische Datenerhebung wäre beides notwendig, weil sonst das Risiko besteht, dass Hersteller durch gezielte Fragebogen-Auswahl die AbEM-Ergebnisse beeinflussen. Denn auch unter validierten Fragebögen kommen zum Teil solche vor, die primär die positiven Therapieeffekte, kaum aber die negativen Effekte erfassen, sodass die späteren AbEM-Ergebnisse ein irreführendes Bild ergeben. Das BfArM sollte also die herstellerseitig vorgesehenen Fragebögen prüfen und akzeptieren – und zwar direkt bei Aufnahme einer neuen DiGA ins DiGA-Verzeichnis.

Falls in einer Indikation bzw. einem Krankheitsbild bereits ein indikationsspezifischer validierter Fragebogen durch einen Hersteller auswählt und wie vorgeschlagen vom BfArM geprüft und akzeptiert wurde, sollten weitere Hersteller mit DiGA in derselben Indikation bzw. demselben Krankheitsbild denselben Fragebogen für die AbEM auswählen müssen. Nur auf diese Weise sind (indirekte) Vergleiche zwischen konkurrierenden DiGA möglich. Nur in vom Hersteller besonders begründeten Fällen sollte ein anderer Fragebogen erlaubt werden.

2 Verknüpfung zwischen Studien zu positiven Versorgungseffekten und AbEM

Laut Art. 1, Nr. 5, sollen Hersteller zukünftig bereits „im Rahmen der Studien [zum Nachweis positiver Versorgungseffekte] begleitende Erhebungen zur Dauer und Häufigkeit“ der DiGA-Nutzung durchführen. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass man auf diese Weise die AbEM-Erhebung besser vorbereiten kann, z. B. indem bestimmte Variablen bereits im Rahmen der vorherigen Studien zu positiven Versorgungseffekten (pVE-Studien) erprobt werden. Eigentlich aber sollten die pVE-Studien weniger der AbEM-Vorbereitung dienen, weil der pVE-Nachweis das wesentliche Kriterium ist, an dem sich auch die AbEM-Ergebnisse messen lassen müssen. So wäre es beispielsweise kritisch, wenn die in der pVE-Studie beobachteten Nutzungsdauern in der regulären DiGA-Anwendung deutlich unterschritten werden. Denn in diesem Fall wäre anzunehmen, dass auch die in der pVE-Studie nachgewiesenen positiven Versorgungseffekte in der Realität nicht erreicht werden.

Allgemein soll untersucht werden, ob die unter Studienbedingungen nachgewiesenen gesundheitlichen Verbesserungen auch unter Routinebedingungen erzielt werden oder warum es zu Abweichungen kommt. Sollten sich zwischen pVE-Studie und AbEM-Ergebnissen deutliche Differenzen zeigen, sollten daher in der Verordnung mögliche Konsequenzen benannt werden. Im Extremfall wären die Versorgungseffekte erneut in einer klinischen Studie zu prüfen. Es könnte beispielsweise sinnvoll sein, die Versorgungseffekte erneut in einer Subgruppe zu untersuchen, wenn die AbEM-Daten deutlich höhere Abbruchraten in der betroffenen Subgruppe zeigen.