01.03.2017
Palbociclib bei fortgeschrittenem Brustkrebs: Bei bestimmten Patientinnen überwiegen die Nachteile
Schwere Nebenwirkungen in Erstlinientherapie nach Menopause häufiger / Für andere Patientinnen fehlen Daten
Palbociclib (Handelsname Ibrance) ist seit November 2016 zur Behandlung von Frauen mit fortgeschrittenem Hormonrezeptor-positiven Brustkrebs zugelassen, für die keine auf Heilung zielende weitere Operation, Strahlentherapie oder Chemotherapie mehr infrage kommt. In einer frühen Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht, ob dieser Wirkstoff Patientinnen Vorteile gegenüber den zweckmäßigen Vergleichstherapien bietet.
Ein solcher Zusatznutzen ist demnach nicht belegt: Für mehrere Gruppen von Patientinnen enthält das Dossier keine oder keine geeigneten Daten. Wo es Daten gibt, nämlich in der Erstlinientherapie nach der Menopause, treten bei Palbociclib in Kombination mit Letrozol schwere Nebenwirkungen häufiger auf als bei Letrozol allein, woraus sich ein Hinweis auf einen geringeren Nutzen ergibt.
G-BA unterscheidet vier Therapiesituationen
Der neue Wirkstoff ist für Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs zugelassen, deren Krebszellen Rezeptoren für Hormone wie Östrogen oder Progesteron tragen (HR-positiv). Bei ihnen beschleunigen Hormone wie Östrogen oder Progesteron das Wachstum der Krebszellen. Palbociclib wird entweder mit einem Aromatasehemmer oder mit dem Wirkstoff Fulvestrant kombiniert. Für die Behandlung von Tumoren, die den HER2-Rezeptor (humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor) tragen, hat Palbociclib dagegen keine Zulassung.
Für die aktuelle Bewertung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zwischen vier Therapiesituationen unterschieden und jeweils verschiedene zweckmäßige Vergleichstherapien vorgegeben. Kriterium ist dabei zum einen, ob bei den Patientinnen die Wechseljahre (Menopause) bereits abgeschlossen sind, zum anderen die Therapielinie, d. h. ob und wie viele Therapien bereits (erfolglos) durchgeführt wurden.
Bei mehreren Endpunkten keine relevanten Unterschiede
Für eine der vier Therapiesituationen, nämlich die Erstlinientherapie bei postmenopausalen Frauen, hat der Hersteller Daten aus zwei randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) vorgelegt. In beiden wurde Palbociclib kombiniert mit dem Wirkstoff Letrozol gegen eine Letrozol-Monotherapie getestet.
Bei mehreren Endpunkten zeigen diese Daten keine relevanten Unterschiede zwischen den beiden Studienarmen: Das gilt für den Gesundheitszustand ( Morbidität), die gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie den Abbruch der Therapie aufgrund von Nebenwirkungen.
Hersteller führt Ergebnisse zu progressionsfreiem Überleben ins Feld
Auch beim Endpunkt Überleben (Gesamtüberleben) sind die Unterschiede statistisch nicht signifikant. Hier führt der Hersteller aber Ergebnisse zum progressionsfreien Überleben (PFS) ins Feld, die zugunsten von Palbociclib ausfallen. Dabei will er PFS als Ersatzkennzeichen (Surrogat) für das Überleben verstanden wissen.
Weil sich bei neuen Therapien zuweilen erst nach Jahren zeigt, ob sie tatsächlich das Leben verlängern, werden gerade Krebs-Medikamente häufig auf Basis von solchen Surrogaten zugelassen. Wenn unter einer neuen Therapie der Tumor nicht weiterwächst oder sogar schrumpft, ist das zwar ein gutes Zeichen. Es ist aber nicht sicher, dass Patientinnen tatsächlich länger überleben.
Um einen Zusatznutzen ableiten zu können, müsste PFS als Surrogat für das Überleben „validiert“ sein. Validität ist dann gegeben, wenn eine Änderung bei einem Surrogatendpunkt zuverlässig eine gleichgerichtete Änderung bei einem patientenrelevanten Endpunkt vorhersagt.
Methode ist für Validierung prinzipiell geeignet
In seinem Dossier unternimmt der Hersteller den Versuch, PFS als Surrogat zu validieren. Und er wählt dafür auch eine geeignete wissenschaftliche Methode, um die Verlässlichkeit von PFS abzuschätzen (Surrogate-Threshold-Effect-Analyse, STE).
Der Studienpool, den der Hersteller verwendet, bildet die Fragestellung jedoch nicht angemessen ab: So zieht er zum einen Studien heran, die zwei Monotherapien vergleichen – Palbociclib kann aber laut Zulassung nur als Kombinationstherapie eingesetzt werden. Zum anderen schließt er ausgerechnet Studien zu Palbociclib nicht in seine Auswertung ein.
Das IQWiG hat deshalb eine eigene Auswertung vorgenommen, und zwar einschließlich der Palbociclib-Studien, aber ohne die Monotherapie-Studien. Dabei zeigt sich, dass PFS nicht als valides Ersatzkennzeichen für das Überleben in dieser Therapiesituation anzusehen ist. Ein Zusatznutzen lässt sich aus den besseren Ergebnissen für das PFS folglich nicht ableiten.
Nachteil von Palbociclib bei schweren Nebenwirkungen
Relevante Gruppenunterschiede zeigen sich jedoch bei den schweren Nebenwirkungen: Diese treten bei der Kombinationstherapie mit Palbociclib deutlich häufiger auf, woraus ein Hinweis auf einen höheren Schaden abzuleiten ist. Da diesem Nachteil keine Vorteile bei anderen Endpunkten gegenüberstehen, sieht das IQWiG in der Gesamtschau einen Hinweis auf einen geringeren Nutzen von Palbociclib.
Für die Erstlinientherapie bei Frauen vor oder in der Menopause enthält das Dossier keine Daten. Für die Zweit- und Folgelinientherapie vor, in oder nach den Wechseljahren ist die vorgelegte Studie für die Bewertung nicht geeignet, da Palbociclib nicht gegen die vorgegebene zweckmäßige Vergleichstherapie getestet wurde. Ein Zusatznutzen ist hier folglich nicht belegt.
G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens
Die Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der G-BA verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.
Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem allgemein verständliche Informationen.