18.11.2016
Optische Kohärenztomografie bei Netzhauterkrankungen des Auges: Vorbericht publiziert
Nur zwei Studien: zu altersbedingter Makuladegeneration und diabetischem Makulaödem / Nutzen und Schaden sind fraglich
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht derzeit, ob die optische Kohärenztomografie (OCT) Patientinnen und Patienten mit feuchter (neovaskulärer) altersbedingter Makuladegeneration oder beim diabetischen Makulaödem Vorteile bietet. Dabei sind drei Fragestellungen relevant, nämlich zum Einen, ob die OCT einen Nutzen zur Diagnose einer Netzhauterkrankung bringt. Zum Zweiten wird untersucht, ob sich mit der OCT der Bedarf für Medikamenteninjektionen besser kontrollieren und steuern lässt. Zum Dritten sollen verschiedene OCT-Anwendungsstrategien zur Therapiesteuerung miteinander verglichen werden.
Die vorläufigen Ergebnisse dieser Nutzenbewertung liegen nun vor: Mangels Studien ist der Nutzen oder Schaden der OCT in der Erstdiagnostik von neovaskulärer altersbedingter Makuladegeneration (nAMD) und diabetischem Makulaödem (DMÖ) unklar.
Beim Vergleich von OCT plus Sehtest zur Therapiesteuerung bei nAMD mit einem Sehtest allein ergibt sich aus den spärlichen Studiendaten ein Anhaltspunkt für einen Schaden aufgrund von häufigeren Nebenwirkungen in der OCT-Gruppe.
Da keine Studie zum Vergleich unterschiedlicher Anwendungsstrategien von optischer Kohärenztomografie vorliegt, bleibt auch hier Nutzen oder Schaden unklar. Bis zum 16. Dezember 2016 können interessierte Personen oder Institutionen zu diesem Vorbericht Stellungnahmen abgeben.
Medikamentengabe kontrollieren und steuern
Die feuchte (neovaskuläre) altersbedingte Makuladegeneration (nAMD) und das diabetische Makulaödem (DMÖ) sind Erkrankungen der Netzhaut, die auf das unerwünschte Wachstum von Blutgefäßen zurückgehen. Sie können zu schwerem irreversiblem Sehverlust bis hin zur Erblindung führen.
Beide Erkrankungen werden heute vorrangig mit sogenannten VEGF-Inhibitoren behandelt: Diese werden in den Glaskörper des Auges injiziert (intravitreale operative Medikamentengabe, IVOM) und hemmen das Wachstum von Blutgefäßen. Anfangs müssen die Injektionen monatlich wiederholt werden, danach aber kann man teilweise Injektionen auslassen, wenn in der Diagnostik keine neuen Krankheitszeichen nachweisbar sind.
Um die Wirksamkeit der Medikamentengabe und das mögliche Fortschreiten der Erkrankung zu überprüfen, gibt es verschiedene Verfahren: außer der morphologischen Beurteilung mittels OCT auch den Sehtest und eine Untersuchung des Augenhintergrundes (Fundusuntersuchung). Vor allem die Therapiekontrolle und -steuerung bei der Gabe von VEGF-Inhibitoren erfolgt bereits heute häufig mit OCT. Mit dieser nicht invasiven diagnostischen Methode lassen sich die Schichten der Netzhaut sehr genau abbilden.
Nur spärliche Daten zur Therapiesteuerung bei nAMD und DMÖ
Aus der einzigen randomisierten und kontrollierten Studie (RCT) zur Therapiesteuerung mit OCT plus Sehtest bei Patientinnen und Patienten mit nAMD im Vergleich zum Sehtest allein ergibt sich ein Anhaltspunkt für einen Schaden: In der OCT-Gruppe traten mehr Nebenwirkungen auf. Dabei handelte es sich aber um Nebenwirkungen wie Knochenbrüche, Herzerkrankungen und Lungenentzündungen. Inwiefern die OCT dafür konkret verantwortlich war, bleibt aber unklar. Hinsichtlich der Anzahl der Medikamenteninjektionen und der Sehschärfe ließ sich kein Unterschied zeigen.
Zur OCT-gesteuerten Behandlung des DMÖ liegt ebenfalls nur eine RCT vor: Dabei erfolgte in der Interventionsgruppe die Injektion eines Kortisonpräparats nur dann, wenn die OCT eine Behandlungsnotwendigkeit zeigte. Auch wenn die Anzahl der Injektionen geringfügig reduziert werden konnte, zeigten sich keine Anhaltspunkte für einen Nutzen oder Schaden der OCT im Vergleich mit Injektionen in festen Abständen, also ohne OCT-Steuerung.
Nutzen und Schaden sind fraglich
Nutzen und Schaden der optischen Kohärenztomografie in der Erstdiagnostik von nAMD und DMÖ sowie der Vergleich von verschiedenen OCT-Anwendungsstrategien sind unklar, weil sich keine Studien für diese Fragestellungen identifizieren ließen.
In der Gesamtschau über alle Untersuchungsziele und Endpunkte sind Nutzen und Schaden der OCT daher fraglich. Angesichts der breiten Anwendung der OCT in der deutschen Augenheilkunde überrascht dieses Ergebnis Stefan Sauerland, Ressortleiter Nichtmedikamentöse Verfahren beim IQWiG: „Es gibt zwar weitere Studien, die zeigen, dass im Vergleich zu einem starren IVOM-Behandlungsschema ein flexibles diagnostisch gesteuertes Behandlungsschema vorteilhaft sein kann. Die Diagnostik in diesen Studien bestand aber aus einer Kombination mehrerer Methoden, sodass sich nicht feststellen lässt, ob wirklich die OCT für die Behandlungssteuerung notwendig ist, oder dafür die anderen Methoden ausreichen.“
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Den vorläufigen Berichtsplan für dieses Projekt hatte das IQWiG im April 2016 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Diese wurden zusammen mit einer Würdigung und dem überarbeiteten Berichtsplan im Juni 2016 publiziert. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist gesichtet. Sofern sie Fragen offenlassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen.