15.11.2016

Hornhautvernetzung bei Keratokonus: Jetzt Anhaltspunkt für Nutzen

Vorteil gegenüber rein symptomatischer Therapie / Datenbasis weiter unzureichend

Bei einem Keratokonus wölbt sich die Hornhaut des Auges nach vorne. Eine sogenannte Hornhautvernetzung soll diesen Prozess stoppen. Dabei wird die Hornhaut durch lokal angewendetes Vitamin B2 in Kombination mit einer UVA-Bestrahlung versteift. Welche Vor- oder Nachteile diese Methode für Patientinnen und Patienten haben kann, hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht und am 15. November seinen veröffentlicht.

Zusätzlich verfügbare Daten, die aus einer Anfrage bei Autoren einer australischen Studie resultieren, zeigen nun einen Anhaltspunkt für einen der Hornhautvernetzung gegenüber einer rein symptomatischen Therapie. Es gibt allerdings auch einen Anhaltspunkt für einen Schaden. Was den Vergleich der verschiedenen Varianten des Verfahrens untereinander betrifft, gibt es lediglich einen Anhaltspunkt für einen Vorteil der transepithelialen Variante gegenüber der Standard-Hornhautvernetzung. Insgesamt ist die Datenlage aber weiterhin unzureichend.

Versteifen des Gewebes soll Prozess stoppen

Bei einem Keratokonus handelt es sich um eine nicht entzündliche Gewebsveränderung der Hornhaut des Auges (Kornea), die üblicherweise bereits im Jugend- und frühen Erwachsenenalter auftritt. Dabei wölbt sich die Hornhaut nach vorne, was nicht nur die Sehfähigkeit beeinträchtigen, sondern u. a. auch starke Schmerzen verursachen kann. Im fortgeschrittenen Stadium lässt sich die Verformung der Hornhaut nicht mehr durch eine Brille oder Kontaktlinsen ausgleichen. Dann kann u. U. nur noch eine Hornhauttransplantation helfen.

Die Hornhautvernetzung ist die erste und bislang einzige Therapieoption, um den Prozess der Verformung der Hornhaut zu stoppen. Beim Standard-Verfahren wird die Hornhaut mechanisch freigelegt und mit Vitamin B2 (Riboflavin) und UVA-Licht behandelt, was die Kollagenfibrillen vernetzen soll. Die Hornhaut wird so gewissermaßen versteift.

Rund ein Drittel der Studien nicht verwertbar

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte das IQWiG beauftragt, den dieser Methode im Vergleich zu einer rein symptomatischen Behandlung sowie im Vergleich zu anderen Arten der Hornhautvernetzung zu bewerten.

Für den hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insgesamt 19 randomisierte kontrollierte Studien identifiziert, die prinzipiell geeignet sind, eine der beiden Fragestellungen zu beantworten. Allerdings war rund ein Drittel dieser Studien nicht verwertbar. Das lag vor allem daran, dass die Behandlungsergebnisse nicht in einer dem jeweiligen Studiendesign angemessenen Weise ausgewertet wurden.

Ergebnisse können verfälscht sein

Bei einigen Studien wurde jeweils nur ein Auge der Patienten zufällig den Behandlungsgruppen zugeteilt, bei anderen beide Augen. Beide Studiendesigns können sinnvoll sein. Wenn aber beide Augen eines Patienten in die Studie eingehen, muss man bei der Auswertung statistische Tests oder Modelle anwenden, um die Abhängigkeit der Daten zu berücksichtigen. Das war aber nicht der Fall, d. h. die Ergebnisse können verfälscht sein.

Australische Autorengruppe übermittelt IPD

Prinzipiell kann das IQWiG angemessene Auswertungen auch nachträglich durchführen. Dazu benötigt es aber weitere Informationen zu den Studien sowie Ergebnisdaten (individuelle Patientendaten, IPD). Entsprechende Anfragen bei den Studienautoren waren zunächst erfolglos. Die meisten Autorengruppen antworteten gar nicht, einzelne waren nicht bereit, ihre Daten zur Verfügung zu stellen.

Nach Publikation des Vorberichts gelang es dem IQWiG jedoch, mit einer australischen Studiengruppe einen Vertrag zu schließen, der die Nutzung der Daten detailliert regelt. Auf Basis der individuellen Patientendaten, die das Institut daraufhin übermittelt bekam, war es möglich, diese Studie in die Bewertung einzubeziehen.

Vorteil bei Rohvisus, aber auch unerwünschte Wirkungen

Deren Ergebnisdaten zeigen, dass die Standard-Hornhautvernetzung im Vergleich zu einer rein symptomatischen Behandlung einen Vorteil beim Sehvermögen bietet. Das gilt allerdings nur für den „Rohvisus“, also das Sehvermögen ohne Korrektur z. B. durch eine Brille, nicht aber für die „bestkorrigierte Sehschärfe“ also mit Sehkorrektur.

Zudem fallen die Ergebnisse bei den unerwünschten Wirkungen zuungunsten der Standard-Hornhautvernetzung aus. Denn Hornhauttrübungen und -erosionen treten häufiger auf als bei der rein symptomatischen Therapie. Dabei handelt es sich allerdings zumeist um vorübergehende und umkehrbare unerwünschte Wirkungen.

Das IQWiG sieht deshalb sowohl einen Anhaltspunkt für einen (Rohvisus) als auch für einen Schaden (unerwünschte Wirkungen) der Therapie.

Sehschärfe bei transepithelialer Variante besser

Bei der zweiten Fragestellung, also dem Vergleich der Varianten der Hornhautvernetzung untereinander, zeigten die verfügbaren Daten relevante Unterschiede nur zwischen der transepithelialen Variante und dem Standard-Verfahren. Hier gibt es einen Hinweis auf einen höheren dieser Variante bei der bestkorrigierten Sehschärfe – nicht aber beim Rohvisus. Aus den Studiendaten lässt sich auch ein Anhaltspunkt für einen geringeren Schaden der transepithelialen Variante ableiten, da Schmerzen nach dem Eingriff weniger lang andauerten als nach dem Standard-Verfahren.

Ob die transepitheliale Variante auch einen oder Schaden im Vergleich zur rein symptomatischen Therapie zeigt, kann aus den Daten aber nicht geschlossen werden.

Weitere Studienergebnisse in Kürze erwartet

Zwar waren die Ergebnisse der australischen Studie nun ausreichend belastbar, um sie bei der Auswertung zu berücksichtigen. Dennoch ist auch ihre qualitative noch immer als mäßig einzustufen. Und jenseits dieser einen Studie ist die Datenlage generell weiterhin unbefriedigend.

Das IQWiG empfiehlt deshalb, eine abschließende Bewertung der Hornhautvernetzung erst dann vorzunehmen, wenn die Ergebnisse weiterer derzeit noch laufender oder abgeschlossener, aber noch nicht veröffentlichter Studien vorliegen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifizierten insgesamt 26 solcher Studien.

Unverständlich ist, dass einige bereits länger abgeschlossene sowie auch abgebrochene Studien nicht veröffentlicht wurden – und dies zum Teil auch gar nicht beabsichtigt ist. Das Bild, das sich sowohl Wissenschaft als auch Behandelnde und Betroffene von der Methode Hornhautvernetzung machen können, bleibt so in jedem Fall unvollständig und möglicherweise verzerrt.

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten , hatte das IQWiG im Juli 2015 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der überarbeitet und als im September 2016 an den Auftraggeber versandt. Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen werden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem publiziert. Der wurde gemeinsam mit externen Sachverständigen erstellt.

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