05.07.2016
Umsetzung von Leitlinien: Best-Practice-Modell für Deutschland fehlt noch
Lokale Anwendbarkeit, Anwender-Schulungen und Erinnerungssysteme könnten förderlich sein
Leitlinien können die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern. Voraussetzung ist allerdings, dass sie verbreitet und angewendet werden. Zwar gibt es kein Best-Practice- Modell für Deutschland, wohl aber eine ganze Reihe von Bedingungen und Maßnahmen, die die Umsetzung befördern könnten: So sollten Leitlinien beispielsweise mit Evidenz hinterlegt und lokal anwendbar sein. Zudem könnten Schulungen und Erinnerungssysteme für die Anwender hilfreich sein. Zu diesem Ergebnis kommt der am 5. Juli 2016 veröffentlichte Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
Literatur-Analyse im Auftrag des BMG
Für die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) beauftragte Analyse haben die Kölner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit Studien sowie systematische Übersichten von Studien ausgewertet, die Maßnahmen zur Disseminierung und Implementierung von Leitlinien und die dabei förderlichen oder hinderlichen Faktoren untersuchten.
Zwar identifizierte das IQWiG zahlreiche solche Studien und Übersichten. Allerdings waren diese sowohl inhaltlich als auch methodisch sehr heterogen. Zudem war nicht immer nachvollziehbar, wie die Autorinnen und Autoren zu ihren jeweiligen Schlussfolgerungen kamen. Für keine der Maßnahmen reichte die Datengrundlage aus, um ihre Effektivität sicher beurteilen zu können. Ein "Best-Practice- Modell" für Deutschland lässt sich deshalb daraus nicht ableiten. Zumal die IQWiG-Analyse zeigt, dass Erfolg oder Nichterfolg durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden.
Qualität und Stärke der Evidenz sind maßgeblich
Es ist jedoch sehr wohl möglich, einige Faktoren zu benennen, die auch hierzulande die Erfolgschancen für die Umsetzung von Leitlinien erhöhen können. Wesentliche Voraussetzung ist dabei zunächst, dass die Evidenz, die den Empfehlungen zugrunde liegt, klar benannt wird und die Leitlinie auch lokal anwendbar ist, d. h. zum Versorgungskontext passt.
Einen positiven Einfluss könnten zudem Schulungen für die an der Umsetzung beteiligten Gesundheitsberufe haben. Das gilt auch für computergestützte Erinnerungssysteme, die Anwenderinnen und Anwender im konkreten Arbeitsprozess an Leitlinienempfehlungen erinnern. Unterstützend könnten demnach auch Feedbackberichte wirken: Sie melden, in welchem Umfang die jeweilige Handlung leitlinienkonform ist - und das teilweise auch im Vergleich zu anderen Anwendern. Schließlich werden Leitlinien von medizinischem Personal offenbar eher umgesetzt, wenn dies von den Kostenträgern finanziell honoriert wird.
Qualitätsindikatoren für Leitlinien-Umsetzung entwickeln
Wie die Autorinnen und Autoren des Berichts feststellen, ist die Evidenz derzeit generell noch unzureichend. Sie empfehlen deshalb, in Studien systematisch zu untersuchen, wie sich die Umsetzung von Leitlinien auf den klinischen Alltag und die Versorgungsqualität auswirkt. Dazu sollten bereits bei der Entwicklung von Leitlinien Qualitätsindikatoren definiert werden, anhand derer anschließend der Erfolg der Leitlinien-Umsetzung beurteilt werden kann.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Das BMG hatte seinen Auftrag im Oktober 2012 erteilt, und zwar als Rapid Report, bei dem keine Anhörung vorgesehen ist. Um der Fachöffentlichkeit doch die Möglichkeit zu Stellungnahmen zu eröffnen, wurde die Berichtsform abgeändert und die Ergebnisse wurden im November 2015 zunächst als Vorbericht publiziert und zur Diskussion gestellt. Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht im Mai 2016 an den Auftraggeber versandt. Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen werden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert. Der Bericht wurde gemeinsam mit externen Sachverständigen erstellt.