15.06.2016

Osimertinib bei Lungenkrebs: Zusatznutzen nicht belegt

Keine direkt vergleichenden Studien / Effekte in historischen Vergleichen zu klein für Aussagen zum Zusatznutzen

Osimertinib ist seit Februar 2016 zur Behandlung erwachsener Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem, nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) und einer T790M-Mutation des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (Epidermal Growth Factor Receptor, EGFR) zugelassen. In einer frühen Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun untersucht, ob der Wirkstoff diesen Patientinnen und Patienten einen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie bietet.

Dabei war je nach Vorbehandlung und Mutationsstatus der Patienten zwischen mehreren Fragestellungen und entsprechenden zweckmäßigen Vergleichstherapien zu unterscheiden. Ein ist jedoch für keine der Fragestellungen belegt, da der Hersteller keine für eine frühe Nutzenbewertung geeigneten und aussagekräftigen Studiendaten vorgelegt hat. Die Effekte in seinen historischen Vergleichen sind zu klein, um daraus Aussagen über einen abzuleiten.

Wirkstoff bindet nur an mutiertes Enzym

Osimertinib gehört zur Klasse der EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren. Der Wirkstoff bindet nicht an den Wildtyp der Tyrosinkinase, sondern nur an die mutierte Form, die im Laufe einer NSCLC-Behandlung im Karzinom auftreten und eine Behandlung mit anderen EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren unwirksam machen kann.

Für Patientinnen und Patienten mit T790M-Mutation, die bereits mit einem anderen Inhibitor vorbehandelt wurden, kommt als zweckmäßige Vergleichstherapie entweder eine Chemotherapie infrage oder – wenn eine solche ausscheidet – Best supportive Care (BSC), also eine patientenindividuell optimierte, unterstützende Behandlung zur Linderung von Symptomen wie Schmerzen und zur Verbesserung der Lebensqualität. Für diese Gruppe hat der Hersteller sogenannte historische Vergleiche durchgeführt, um einen zu belegen.

Alle anderen Betroffenen werden je nach Behandlungs- und Mutationsstatus sowie Gesundheitszustand mit anderen Tyrosinkinase-Inhibitoren, einer Chemotherapie oder ebenfalls BSC behandelt. Für diese Gruppen hat der Hersteller keine vergleichenden Daten eingereicht.

Historische Vergleiche: keine dramatischen Effekte

Die ersten beiden der drei historischen Vergleiche beruhen einerseits auf zwei einarmigen prospektiven Studien zu Osimertinib, andererseits auf sieben retrospektiven Analysen und zwei Armen aus verschiedenen randomisierten kontrollierten Studien zu Chemotherapien. Für Fälle, in denen eine Chemotherapie nicht infrage kam, zog der Hersteller im dritten historischen Vergleich den Kontrollarm einer Studie heran, in dem die Patientinnen und Patienten und BSC erhalten hatten. Nur einer der historischen Vergleiche adressiert tatsächlich die Fragestellung der Nutzenbewertung. In ihm zeigen sich aber keine so großen Effekte, dass daraus ein Vor- oder Nachteil von Osimertinib abzuleiten wäre.

Die übrigen historischen Vergleiche sind aus verschiedenen Gründen ungeeignet. Insbesondere wurde in den Vergleichsstudien der T790M-Mutationsstatus nicht berücksichtigt, und die Chemotherapien wurden überwiegend nicht zulassungskonform durchgeführt. Außerdem enthalten diese Vergleiche kaum Daten zu patientenrelevanten Endpunkten. Folglich gilt auch für sie – und damit für die gesamte frühe Nutzenbewertung: Ein von Osimertinib gegenüber den zweckmäßigen Vergleichstherapien ist nicht belegt.

G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

Die Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.

Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem allgemein verständliche Informationen.

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