01.04.2016
Bronchialkarzinom: Zusatznutzen von Crizotinib zur Erstbehandlung nicht belegt
Kontrollarm der einzigen Studie bildet zweckmäßige Vergleichstherapie nicht adäquat ab
Seit 2012 steht der Wirkstoff Crizotinib (Handelsname Xalkori) Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem nicht kleinzelligem Lungenkrebs (Bronchialkarzinom) zur Verfügung, die eine hohe Aktivität des Enzyms anaplastische Lymphomkinase (ALK) aufweisen und bereits mit einer anderen Therapie vorbehandelt sind. Im November 2015 wurde die Zulassung auf die Erstlinienbehandlung erweitert.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat daher nach seiner Bewertung im Jahr 2013 nun erneut den Zusatznutzen des Wirkstoffs gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie untersucht – und festgestellt: Ein Zusatznutzen von Crizotinib ist für die Erstlinienbehandlung eines fortgeschrittenen Bronchialkarzinoms nicht belegt.
Carboplatin nur bei erhöhtem Risiko für Cisplatin-Nebenwirkungen
Ist ein Bronchialkarzinom bereits fortgeschritten, so lässt es sich nur noch palliativ behandeln. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat hierfür mehrere zweckmäßige Vergleichstherapien benannt. Im Kontrollarm sollte entweder Cisplatin in Kombination mit einem Drittgenerationszytostatikum zum Einsatz kommen oder – bei einem erhöhten Risiko von Cisplatin-Nebenwirkungen – Carboplatin mit einem Drittgenerationszytostatikum. Für Betroffene mit bereits starken Einschränkungen kam stattdessen auch eine Monotherapie mit Gemcitabin oder Vinorelbin infrage.
Einsatz von Carboplatin an Bedingung geknüpft
Der Hersteller hat auf die letztgenannte Möglichkeit verzichtet und nur Daten aus einer randomisierten Studie eingereicht, in der Crizotinib direkt mit Cisplatin oder Carboplatin, jeweils in Kombination mit dem Zytostatikum Pemetrexed, verglichen wurde. Carboplatin ist nicht zur Behandlung von fortgeschrittenem nicht kleinzelligem Lungenkarzinom zugelassen, jedoch im sogenannten Off-Label-Use verordnungsfähig. Dies gilt aber nur für Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko für Cisplatin-Nebenwirkungen, etwa bei einer Neuropathie, einer Hörschädigung oder einer besonderen Neigung zu Übelkeit, Nieren- oder Herzinsuffizienz.
Einzige vorgelegte Studie erfüllt die Bedingung nicht
Im Kontrollarm der Studie PROFILE 1014 hat fast die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Carboplatin erhalten, ohne dass die Kriterien für diese individuelle ärztliche Entscheidung nachvollziehbar sind. Ein großer Teil der Patienten im Kontrollarm entspricht jedenfalls nicht den Kriterien der Arzneimittel-Richtlinie für den Off-Label-Einsatz von Carboplatin. Denn Personen mit Neuropathie, Nieren- oder Herzinsuffizienz waren von der Studienteilnahme ausgeschlossen, und unter einer deutlichen Hörschädigung oder Übelkeit als Begleiterkrankung litten nur gut zwei respektive knapp sechs Prozent der Teilnehmer.
Die Kontrollgruppe der Studie bildet also die zweckmäßige Vergleichstherapie nicht adäquat ab. Die eingereichten Daten sind zur Ableitung eines Zusatznutzens von Crizotinib gegenüber dieser Vergleichstherapie mithin nicht geeignet.
G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens
Diese Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der G-BA verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.
Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem allgemein verständliche Informationen.