05.02.2016
Hornhautvernetzung bei Keratokonus: Vorbericht erschienen
Nutzen oder Schaden mangels verwertbarer Daten unklar / Weitere Studienergebnisse in Kürze erwartet
Bei einem Keratokonus wölbt sich die Hornhaut des Auges nach vorne. Eine sogenannte Hornhautvernetzung soll diesen Prozess stoppen. Dabei wird die Hornhaut durch lokal angewendetes Vitamin B2 in Kombination mit einer UVA-Bestrahlung versteift. Welche Vor- oder Nachteile diese Methode für Patientinnen und Patienten haben kann, wird derzeit vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht. Die vorläufigen Ergebnisse hat das Institut am 5. Februar 2016 veröffentlicht.
Demnach ist der Nutzen oder Schaden dieser Art der Hornhautvernetzung unklar, da der größte Teil der aktuell verfügbaren Studiendaten nicht verwertbar ist. Klar ist jedoch, dass die Hornhautvernetzung mit Nebenwirkungen verbunden ist. Von einer Studiengruppe wurden angefragte Daten in Aussicht gestellt, die im Abschlussbericht berücksichtigt werden könnten. Das gilt auch für Ergebnisse registrierter, aber bislang unpublizierter Studien. Bis zum 7. März 2016 nimmt das IQWiG Stellungnahmen zu diesem Vorbericht entgegen.
Versteifen des Gewebes soll Prozess stoppen
Bei einem Keratokonus handelt es sich um eine nicht entzündliche Gewebsveränderung der Hornhaut des Auges (Kornea), die üblicherweise bereits im Jugend- und frühen Erwachsenenalter auftritt. Dabei wölbt sich die Hornhaut nach vorne, was nicht nur die Sehfähigkeit beeinträchtigen, sondern u. a. auch starke Schmerzen verursachen kann. Im fortgeschrittenen Stadium lässt sich die Verformung der Hornhaut nicht mehr durch eine Brille oder spezielle Kontaktlinsen ausgleichen. Dann kann u. U. nur noch eine Hornhauttransplantation helfen.
Die Hornhautvernetzung ist die erste Therapieoption, um den Prozess der Verformung der Hornhaut zu stoppen. Dabei wird die chirurgisch freigelegte Hornhaut mit Vitamin B2 (Riboflavin) und UVA-Licht behandelt, was die sogenannten Kollagenfibrillen vernetzen soll. Die Hornhaut wird so gewissermaßen versteift.
Sieben relevante Studien identifiziert
Der Gemeinsame Bundesausschuss ( G‑BA) hatte das IQWiG beauftragt, den Nutzen dieser Methode im Vergleich zu einer rein symptomatischen Behandlung zu bewerten sowie verschiedene Varianten der Hornhautvernetzung miteinander zu vergleichen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifizierten insgesamt sieben randomisierte kontrollierte Studien, die prinzipiell geeignet sind, die erste Fragestellung zu beantworten.
Auswertung nicht angemessen: Ergebnisse können verfälscht sein
Allerdings waren letztlich nur die Ergebnisse von zwei Studien verwertbar. Das lag vor allem daran, dass die Behandlungsergebnisse nicht in einer dem jeweiligen Studiendesign angemessenen Weise ausgewertet wurden.
Bei einigen Studien wurden von einigen oder allen Patienten beide Augen jeweils einer der beiden Gruppen zugeteilt. Somit konnten Patienten entweder in beiden Behandlungsarmen oder in einem Behandlungsarm zweimal vertreten sein. Dabei hängt die Stärke, mit der das eine Auge eines Patienten auf die Behandlung anspricht, vermutlich in hohem Maße von der Stärke ab, mit der das beim anderen Auge der Fall ist.
Diese Art des Studienaufbaus kann sinnvoll sein. Bei der Auswertung müssen dann aber bestimmte statistische Tests oder Modelle verwendet werden, um die Abhängigkeit der Daten beider Augen eines Patienten angemessen zu berücksichtigen. Das war aber nicht der Fall, d. h. die Ergebnisse der Auswertung können verfälscht sein.
Anfragen bei Autoren ergebnislos
Das IQWiG könnte solche angemessenen Auswertungen auch nachträglich durchführen. Dazu bräuchte es aber weitere Informationen zu den Studienteilnehmern sowie weitere Ergebnisdaten (individuelle Patientendaten). Entsprechende Anfragen bei den Studienautoren verliefen jedoch bis auf zwei Ausnahmen erfolglos: Entweder sie blieben unbeantwortet oder die Autorinnen und Autoren waren nicht bereit, diese Daten zur Verfügung zu stellen. Mit einer Autorengruppe verhandelt das IQWiG derzeit noch über die Nutzungsbedingungen für die Patientendaten.
Sehfähigkeit nicht besser, aber Hornhauttrübung häufiger
Für die Bewertung verwertbar waren lediglich die Daten aus zwei Studien, die jeweils die Hornhautvernetzung mit einer Scheinbehandlung verglichen. Bei beiden Studien ist die Aussagesicherheit nur mäßig.
In Hinblick auf das Sehvermögen (bestkorrigierte Sehschärfe) zeigen diese Daten bei einer maximalen Beobachtungsdauer von 36 Monaten keine relevanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Auf Basis der derzeit verwertbaren Daten ist ein Nutzen für Patientinnen und Patienten damit nicht belegt. Deshalb sind dringend weitere verwertbare, aussagekräftige Studien erforderlich. Zudem fehlen belastbare Langzeitdaten.
Was Nebenwirkungen (unerwünschte Wirkungen) betrifft, fällt der Vergleich zuungunsten der Therapie aus, da Hornhauttrübungen und -erosionen häufiger auftraten als bei einer Scheinbehandlung. Das IQWiG sieht deshalb hier einen Anhaltspunkt für einen Schaden.
Ergebnisse mehrerer Studien noch nicht publiziert
Die Recherche in Studienregistern zeigte, dass derzeit fünf weitere Studien laufen, die für die Fragestellung des Berichts relevante Ergebnisse erwarten lassen. Drei dieser Studien werden laut Plan im ersten Quartal 2016 beendet. Das bedeutet, dass die Resultate in den Abschlussbericht einfließen könnten. Das gilt auch für Informationen und Daten aus drei weiteren registrierten, aber noch nicht publizierten Studien.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Den vorläufigen Berichtsplan für dieses Projekt hatte das IQWiG im Juli 2015 vorgelegt und um Stellungnahmen gebeten. Diese wurden zusammen mit einer Würdigung und dem überarbeiteten Berichtsplan im Oktober 2015 publiziert. Stellungnahmen zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht werden nach Ablauf der Frist gesichtet. Sofern sie Fragen offen lassen, werden die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen.