20.11.2015

Medikamentenfreisetzende AK-Stents bei koronarer Herzkrankheit: Kein Anhaltspunkt für Nutzen

Patientenrelevanter Nutzen von medikamentenbeschichteten AK-Stents ist unklar / Datenlage bei den meisten Endpunkten unzureichend

Nach wie vor unklar ist der einer Behandlung mit antikörperbeschichteten, medikamentenfreisetzenden Stents (AK-DES) im Vergleich zu allein medikamentenfreisetzenden Stents (DES) bei Patientinnen und Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit (KHK), die eine Stent-Implantation benötigen. Zu diesem Ergebnis kommt ein am 20. November 2015 veröffentlichter , den das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) erstellt hat.

Die beiden einzigen Studien zum Vergleich von AK-DES mit DES waren zu klein, um verlässliche Aussagen zu patientenrelevanten Endpunkten abzuleiten, und die Datenlage für die meisten Endpunkte ist unzureichend. Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsoptionen als DES ließen sich nicht identifizieren. Auch das Stellungnahmeverfahren nach dem brachte keinen Zugewinn an Erkenntnissen. Deshalb gibt es keinen Anhaltspunkt für einen von AK-DES im Vergleich zu DES.

AK-DES sollen Blutverdünnung überflüssig machen

AK-DES sind auf ihrer Außenseite (zur Gefäßwand hin) mit Medikamenten zur Immunsuppression beschichtet und auf ihrer Innenseite (zur Gefäßinnenseite hin) mit Antikörpern, um das Anwachsen von Endothelzellen auf den Stent-Streben zu fördern. Dadurch soll sich die Dauer der Behandlung mit Blutverdünnern verkürzen lassen, ohne das einer erneuten Gefäßverengung (Restenose) oder einer Gerinnselbildung (Thrombose) zu erhöhen.

Die Behandlung mit Blutverdünnern über mehrere Monate hinweg ist nach DES-Implantation Standard, kann aber bei bestimmten Patientengruppen problematisch sein, z. B. wenn eine größere Operation bevorsteht. Auch wenn ein Patient bereits wegen einer anderen Erkrankung Tabletten zur Blutverdünnung dauerhaft einnehmen muss, ist eine DES-Implantation oft nicht ratsam, weil dann in der Regel gleich drei Medikamente zur Blutverdünnung parallel notwendig würden. Daher wäre es hilfreich, wenn es Stents gäbe, die die Wirksamkeit von DES besäßen, jedoch keine längerfristige Blutverdünnung erforderten.

Verfügbare Studien liefern keine relevanten Unterschiede

Die Ergebnisse in den beiden einzigen verfügbaren Studien REMEDEE und REMEDEE OCT liefern keine relevanten Unterschiede zwischen AK-DES (Handelsname Combo) im Vergleich zu Stents verschiedener Hersteller, die allein mit Medikamenten beschichtet sind (DES).

In REMEDEE sollte gezeigt werden, dass AK-DES (bei 124 Patienten) den DES in der Kontrollgruppe (mit 59 Patienten) nicht unterlegen sind. In REMEDEE OCT sollte die Überlegenheit von AK-DES (bei 29 Teilnehmern) gegenüber DES (bei 31 Teilnehmern) gezeigt werden. Auf den patientenrelevanten war keine der beiden Studien ausgerichtet, sondern auf das Einwachsverhalten des AK-DES im Vergleich zu DES.

Die beiden Studien liefern zwar Daten zu den patientenrelevanten Endpunkten Sterblichkeit, Herzinfarkt, kardiale Bypass-Operation, Gesamtrate schwerwiegender Nebenwirkungen, Gefäßkomplikationen, zerebrovaskuläre Ereignisse und Blutungen. Allerdings ist die Datenlage zu mehreren Endpunkten unzureichend und in vielerlei Hinsicht unsicher. Aufgrund der unterschiedlichen Medikamentenbeschichtung der verschiedenen DES-Typen ist auch unklar, welchen Anteil die AK-Beschichtung tatsächlich an den Studienergebnissen hat.

Nutzen oder Schaden im Vergleich zu DES unklar

Welchen oder Schaden die neue Stent-Generation AK-DES also im Vergleich zu DES für Patientinnen und Patienten bringt, bei denen aufgrund einer KHK eine Stent-Implantation angezeigt ist, bleibt weiterhin unklar.

Aus einer Bewertung des IQWiG im Oktober 2012 ( N12-01) ergaben sich für Patientinnen und mit Patienten hohem Restenose-Risiko Hinweise auf einen geringeren von AK-Stents, die allein mit Antikörpern beschichtet sind, im Vergleich zu DES. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) schloss daraufhin im März 2013 die Erstattung von AK-Stent-Implantationen bei solchen Patienten, bei denen auch ein DES-Einsatz in Betracht kommt, durch die gesetzlichen Krankenversicherungen aus.

Offen ist, ob die zurzeit noch laufenden Studien HARMONEE und RECOVERY die Frage nach dem und Schaden von AK-DES im Vergleich zu DES für Patientinnen und Patienten mit KHK und Indikation für einen Stent beantworten können. Keine der laufenden Studien ist auf den patientenrelevanten ausgerichtet.

DES dominieren Stent-Implantationen bei KHK-Patienten

Im Jahr 2013 wurde in Deutschland bei knapp 80 Prozent der Patientinnen und Patienten mit einer Indikation zur Stent-Implantation ein DES verwendet, bei den restlichen 20 Prozent kamen reine Metallstents (BMS) zum Einsatz. Die BMS eignen sich vor allem dann, wenn eine Behandlung mit Blutverdünnern aufgrund der Begleiterkrankungen des Patienten problematisch ist. AK-DES spielen dagegen bisher keine relevante Rolle in der klinischen Versorgung und finden beispielsweise weder in deutschen noch in internationalen Leitlinien größere Beachtung.

Ein Grund für die steigende Zahl von Stent-Implantationen ist u. a. die ständige Weiterentwicklung der Stents. „Es zeigt sich, dass moderne DES zunehmend auch Verwendung bei Patienten finden, die früher ausschließlich mit BMS behandelt wurden“, erläutert Stefan Sauerland, Leiter des Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren beim IQWiG, die Versorgungssituation. „Die Eigenschaften von DES der zweiten Generation ändern allmählich auch die Empfehlungen zur Dauer der notwendigen dualen Antiplättchentherapie im Anschluss an die Implantation: Die verkürzte Einnahme von Blutverdünnern erhöht die Zahl der Patienten, die für eine DES-Implantation infrage kommen – und senkt damit den Bedarf für AK-DES.“

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten , hatte das IQWiG im Juli 2015 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der überarbeitet und als im September 2015 an den Auftraggeber versandt. Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen werden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem publiziert. Der wurde gemeinsam mit externen Sachverständigen erstellt.

Einen Überblick über Hintergrund, Vorgehensweise und weitere Ergebnisse des Abschlussberichts gibt die Kurzfassung.

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