16.11.2015
Tiotropium/Olodaterol bei COPD: Nachteile bei schwerer Erkrankten, Vorteile für manche Patientinnen
Mehr Exazerbationen bei Personen mit höheren COPD-Schweregraden / Weniger Symptome bei Frauen mit seltenen Krankheitsschüben
Die Fixkombination aus Tiotropium und Olodaterol (Handelsname Spiolto Respimat) ist seit Juli 2015 für die Dauertherapie von Erwachsenen mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) zugelassen. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat in einer Dossierbewertung überprüft, ob diese Wirkstoffkombination gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie einen Zusatznutzen bietet.
Demnach zeigen sich für die Gesamtheit der Erwachsenen mit mittelschweren COPD -Symptomen (Schweregrad II) sowie höheren Schweregraden (III-IV) und weniger als zwei Krankheitsschüben (Exazerbationen) pro Jahr keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen. Nur bei Frauen dieser COPD-Gruppen, die die Fixkombination inhalierten, lassen sich Hinweise auf einen geringen Zusatznutzen ableiten.
Bei Erwachsenen mit höheren Schweregraden (≥ III) und mindestens zwei Krankheitsschüben pro Jahr treten sogar Nachteile auf, die zu einem Beleg für einen geringeren Nutzen führen.
Vergleichstherapie hängt von Schweregrad und Exazerbationshäufigkeit ab
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die zweckmäßige Vergleichstherapie vom Schweregrad der Erkrankung abhängig gemacht: Ab einem mittleren COPD-Schweregrad (Stufe II), sollte die neue Wirkstoffkombination mit einem langwirksamen Beta-2-Sympathomimetikum (LABA, z. B. Formoterol, Salmeterol) und/oder Tiotropium verglichen werden (Fragestellung 1). Ab einem Schweregrad der Stufe III und mindestens zwei Krankheitsschüben (Exazerbationen) im Jahr sollten die Patientinnen und Patienten im Vergleichsarm außerdem ein inhalatives Kortikosteroid (ICS) erhalten (Fragestellung 2).
Teilpopulationen als Bewertungsgrundlage
Der Hersteller legte Daten aus zwei Zulassungsstudien (TONADO 1 und 2) mit Patientinnen und Patienten mit mittelschwerer bis sehr schwerer COPD vor. In diesen Studien konnten (anders als vom G-BA vorgesehen) alle eingeschlossenen Patienten eine bestehende Therapie mit einem ICS fortführen. Daher dienen für die beiden Fragestellungen Teilpopulationen als Bewertungsgrundlage, die gemäß den Vorgaben des G-BA behandelt worden waren.
Die Patientinnen und Patienten der Teilpopulationen waren im Durchschnitt über 60 Jahre alt und Männer waren in der Mehrzahl: je nach Teilpopulation waren doppelt bis viermal so viele Männer wie Frauen dabei.
Auswertungen zu möglichst langer Behandlungsdauer
Für eine Erhaltungstherapie bei einer chronischen Erkrankung wie Tiotropium/Olodaterol sind Auswertungen über einen längeren Zeitraum geeigneter, um Aussagen über dauerhafte Effekte zu machen. In der vorliegenden Bewertung wurden deshalb für alle Endpunkte die Auswertungen nach 52 Wochen herangezogen. Der Hersteller hatte dagegen bei manchen Endpunkten auch Auswertungen nach Woche 24 berücksichtigt.
Vorteile nur bei Frauen mit seltenen Krankheitsschüben
Bei den meisten Erwachsenen der Teilpopulation mit Schweregrad II oder Schweregrad III und IV mit weniger als zwei Exazerbationen pro Jahr zeigten sich für die meisten Endpunkte (z. B. COPD-Symptome, Exazerbationen, Lebensqualität, schwere Nebenwirkungen) keine relevanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen oder es fehlten Daten.
Nur bei Frauen dieser Teilpopulation gab es unter der Fixkombination positive Effekte in Bezug auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität und COPD-Symptome (Atemnot). Daraus lässt sich jeweils ein Hinweis auf einen geringen Zusatznutzen von Tiotropium/Olodaterol im Vergleich zu Tiotropium ableiten. Für Männer liefern die Daten weder positive noch negative Effekte.
Nachteile bei schwerer/sehr schwerer COPD und mehreren Exazerbationen
Auch bei der zweiten Fragestellung (Erwachsene mit Schweregrad größer als III und mindestens zwei Exazerbationen pro Jahr) traten bei den meisten Endpunkten keine relevanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen auf oder es fehlten Daten.
Allerdings kam es bei Patientinnen und Patienten, die die Fixkombination inhaliert hatten, häufiger zu schweren Exazerbationen. Daraus ergibt sich ein Beleg für einen geringeren Nutzen von Tiotropium/Olodaterol plus ICS im Vergleich zu Tiotropium plus ICS.
G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens
Diese Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der G-BA verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.
Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem allgemein verständliche Informationen.