28.09.2009
Implantatgetragener Zahnersatz: Keine Belege für Zusatznutzen gegenüber konventionellen Prothesen
IQWiG sieht Nachholbedarf bei guten Studien zu zahnmedizinischen Verfahren
Mangels aussagekräftiger Studien bleibt unklar, ob Patientinnen und Patienten mit einer verkürzten Zahnreihe einen Vorteil davon haben, wenn der Zahnersatz auf ein im Kiefer fest verankertes Implantat aufgesetzt wird. Zu diesem Ergebnis kommt der am 28. September 2009 veröffentlichte Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) diese sogenannten implantatgetragenen Suprakonstruktionen mit konventionellem Zahnersatz verglichen. Dieser ist entweder herausnehmbar oder an noch vorhandenen "natürlichen" Zähnen befestigt.
Prothese wird in künstlicher Zahnwurzel verankert
Von einer verkürzten Zahnreihe sprechen Zahnärzte dann, wenn Zähne am Ende des oberen oder unteren Kiefers nicht mehr vorhanden sind. Wie bei der Zahnlücke gibt es verschiedene Möglichkeiten, Ersatz zu schaffen: Als Alternative zur konventionellen Prothese kann eine künstliche, häufig aus Titan gefertigte Zahnwurzel in den Kiefer eingepflanzt werden (enossales Implantat). Auf dem Gewinde dieses Implantats sitzt der Kronenaufbau, auf dem dann die Suprakonstruktion, also der sichtbare Teil des Zahnersatzes, verankert wird. Leitlinien empfehlen solche implantatgetragenen Suprakonstruktionen insbesondere bei Kieferdefekten, etwa bedingt durch Knochenschwund (Kieferathropie) oder Unfälle.
Keine ausreichende Evidenz
Den Nutzen für Patientinnen und Patienten macht das IQWiG an vier Zielgrößen fest: Zum einen daran, wie die Patienten ihre Mundgesundheit selbst erleben ("mundgesundheitsbezogene Lebensqualität"). Zum anderen daran, wie lange der Zahnersatz funktionstüchtig ist ("Funktionsdauer"). Weitere Zielgrößen sind die "Kaueffektivität", d.h. der Aufwand, der nötig ist, um Speisen schluckfähig zu machen sowie die Ernährung.
Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch feststellen mussten, ist die Studienlage unzureichend. Dabei hatten sie sich bei ihrer Recherche nicht nur auf randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) beschränkt, sondern auch kontrollierte Studien ohne zufällige Zuteilung der Patienten einbezogen. Berücksichtigt wurden überdies Fallserien, sofern diese bestimmten Mindestanforderungen genügten.
Dennoch konnten sie für keine der vier Zielgrößen methodisch belastbare Studien bzw. belastbare Evidenz ausfindig machen, die es erlaubt, verlässliche Aussagen zu Vor- oder Nachteilen der Therapiealternativen zu machen. Das Institut kommt vielmehr zu der Schlussfolgerung, dass es für den implantatgetragenen im Vergleich zum konventionellen Zahnersatz bei verkürzten Zahnreihen weder Hinweise noch Belege für einen Zusatznutzen gibt.
Weitere Forschung notwendig
Das Institut empfiehlt dringend, weitere klinische Vergleiche anzustellen. Insbesondere zur Bewertung der "Kaueffektivität" werden Studien benötigt, die verschiedene Altersgruppen unterscheiden, prospektiv den Einsatz von Implantaten und Prothesen untersuchen und auch die Tragezeiten der Prothesen in standardisierter Form berücksichtigen.
In der Zahnmedizin gibt es zwar besondere Einschränkungen für Studien, etwa durch die Art der Kostenerstattung oder die Unmöglichkeit der Verblindung. Dennoch ist das IQWiG der Auffassung, dass auch in diesem medizinischen Bereich Studien möglich und notwendig sind, die hinreichend sichere und interpretierbare Daten liefern.
Gesundheitsökonomische Bewertung nicht möglich
Die Gesetzlichen Krankenkassen zahlen ihren Versicherten seit 2005 pauschal einen Betrag, den sogenannten Festzuschuss, unabhängig davon, für welche Art des Zahnersatzes sie sich entscheiden. Mit dem vorliegenden Bericht sollte daher nicht nur den Nutzen, sondern auch die Kosten der beiden Therapiealternativen durch das IQWiG untersucht werden.
Die Recherche nach gesundheitsökonomischen Studien zur Fragestellung verlief allerdings ergebnislos, ebenso eine Anfrage bei der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) nach den durchschnittlichen Fallkosten für die jeweiligen Versorgungsgruppen. Es war deshalb nicht möglich, wie vom G-BA gewünscht, auch die Wirtschaftlichkeit der Therapiealternativen vergleichend zu bewerten.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das IQWiG Mitte Januar 2009 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht Ende Juli 2009 an den Auftraggeber versandt. Der Bericht wurde gemeinsam mit externen Sachverständigen erstellt.
Einen Überblick über Hintergrund, Vorgehensweise und weitere Ergebnisse des Abschlussberichts gibt folgende Kurzfassung.
Kontakt: Tel. 0221-35685-0, info@iqwig.de