10.06.2009
Vorbericht zu Antidepressiva veröffentlicht
Nutzen von Bupropion belegt / Nutzen von Reboxetin nicht belegt: Hersteller hält Studiendaten unter Verschluss
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat am 10. Juni 2009 die vorläufigen Ergebnisse seiner Nutzenbewertung von bestimmten neueren Antidepressiva vorgelegt. In dem vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragten Projekt geht es darum, den Nutzen der drei Wirkstoffe Reboxetin, Mirtazapin und Bupropion XL bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit Depressionen zu bewerten. Bis zum 9. Juli können interessierte Personen und Institutionen schriftliche Stellungnahmen zum Vorbericht abgeben.
Reboxetin: Keine Belege für einen Nutzen
Die Bewertung fiel für die drei Wirkstoffe unterschiedlich aus. Der Wirkstoff Reboxetin (Hersteller: Pfizer) wurde nach den Recherchen des Instituts in mindestens 16 Studien an etwa 4600 Patientinnen und Patienten mit Depression erprobt. Allerdings standen dem Institut nur die Daten von etwa 1600 dieser Patienten zur Verfügung. Bezieht man die unveröffentlichten Daten nicht ein, ist die Gefahr groß, den Nutzen und Schaden des Wirkstoffs falsch einzuschätzen. Das IQWiG kommt deshalb zu dem vorläufigen Ergebnis, dass aus den derzeit vorliegenden Daten kein Beleg für einen Nutzen einer Behandlung mit Reboxetin abgeleitet werden kann.
Mirtazapin: Ergebnisse stehen unter Vorbehalt
Die Recherche zu Mirtazapin (Essex Pharma) ergab, dass der Wirkstoff in mindestens 31 Studien erprobt wurde, die für den Bericht potenziell relevant sein können. Dem Institut standen aber nur 27 Studien so zur Verfügung, dass sie auch ausgewertet werden konnten. Weil auch hier die Möglichkeit besteht, dass sich die Ergebnisse der Bewertung verschieben, wenn die Daten vollständig vorlägen, stellt das Institut alle Ergebnisse unter einen Vorbehalt.
Mirtazapin erwies sich in zahlreichen Vergleichen mit anderen Antidepressiva als nicht überlegen. Lediglich im Vergleich mit Plazebo gab es einen Beleg, dass in der Akutbehandlung mehr Patienten eine Besserung der Depression verspürten, wenn sie mit Mirtazapin behandelt wurden. Die Aussichten auf eine völlige Heilung waren in der Mirtazapin-Gruppe allerdings nicht besser als in der Plazebo-Gruppe. Es zeigte sich auch, dass mit Mirtazapin behandelte Patienten die Therapie häufiger wegen Nebenwirkungen (unerwünschter Ereignisse) abbrechen als mit Plazebo oder mit einigen anderen Antidepressiva behandelte Patienten.
Bupropion: Belege für Nutzen
Zum Wirkstoff Bupropion XL wurden in der Recherche 6 Studien identifiziert, deren Studienberichte dem Institut vom Hersteller GlaxoSmithKline vollständig zur Verfügung gestellt wurden. Für diesen Wirkstoff ergaben sich im Vergleich mit Plazebo in der Akuttherapie und zur Vorbeugung eines Rückfalls in eine sogenannte Winterdepression Belege für einen Nutzen, Hinweise auf Schäden fanden sich hier dagegen nicht. Venlafaxin XR ist der einzige Wirkstoff zur Behandlung von Depressionen, der in Studien mit Bupropion XL verglichen wurde. In der Akuttherapie zeigt sich Bupropion XL gegenüber Venlafaxin XR als unterlegen. Weitere Details finden sich in der Kurzfassung des Vorberichts (siehe unten).
Unveröffentliche Daten bergen Täuschungspotenzial
Wenn nicht alle vorhandenen Studiendaten zur Verfügung stehen, kann das zu einer stark verzerrten Bewertung führen. Dieses Täuschungspotenzial ist von grundsätzlicher Bedeutung für alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Arzneimittel und andere medizinische Technologien systematisch bewerten. Die Erfahrung des Instituts zeigt, dass auf freiwillige Selbstverpflichtungen kein Verlass ist. Das Institut hält es deshalb für dringend nötig, Studiensponsoren gesetzlich zu verpflichten, klinische Studien vor Beginn zu registrieren und die Ergebnisse zeitnah zu veröffentlichen. Die Position des IQWiG beschreibt eine zweite Pressemitteilung.
Stellungnahmeverfahren
Zu diesem Vorbericht können bis zum 9. Juli 2009 schriftliche Stellungnahmen eingereicht werden. Das IQWiG wird die Stellungnahmen sichten und würdigen. Sollte sich aus Sicht des Instituts Bedarf an Nachfragen ergeben, wird eine mündliche Erörterung stattfinden. Danach wird der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht an den G-BA weitergeleitet.
Einen Überblick über Hintergrund, Vorgehensweise und weitere Ergebnisse des Vorberichts gibt folgende Kurzfassung.
Kontakt: Tel. 0221-35685-0, info@iqwig.de