01.12.2008

Antidepressiva: Vorbericht zu SNRI publiziert

Nutzen von Venlafaxin und Duloxetin im Vergleich zu Placebo ist durch Studien belegt

Ob Patientinnen und Patienten mit Depressionen von Medikamenten aus der Wirkstoffklasse der selektiven Serotonin-und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) profitieren, wird derzeit vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht. In Deutschland sind bisher zwei dieser Wirkstoffe als Antidepressiva zugelassen: Venlafaxin und Duloxetin. Am 1. Dezember 2008 hat das Institut die vorläufigen Ergebnisse vorgelegt. Demnach ist der beider Wirkstoffe durch klinische Vergleiche mit einem Scheinmedikament belegt. Bis zum 09. Januar 2009 können interessierte Personen und Institutionen schriftliche Stellungnahmen zu diesem abgeben.

Depression kann Alltag massiv beeinträchtigen

Depressionen sind weltweit eine häufige psychische Erkrankung. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 15% aller Deutschen im Laufe ihres Lebens mindestens einmal daran erkranken, wobei Frauen mit gut 20% mehr als doppelt so häufig betroffen sind wie Männer (knapp 9%). Depressionen können den Alltag der Betroffenen massiv beeinträchtigen. Ihre sozialen Beziehungen sind ebenso bedroht wie ihre Arbeitsfähigkeit. Ihre Stimmung ist gedrückt, sie können keine Freude empfinden, ihr Selbstwertgefühl ist gemindert, sie machen sich grundlos selbst Vorwürfe, können sich nur schlecht konzentrieren und nicht gut schlafen, um nur einige der typischen Symptome zu nennen.

Von einer Depression im klinischen Sinn (Major Depression) spricht man dann, wenn diese und andere Anzeichen über mehrere Wochen kontinuierlich auftreten.

Wechselspiel biologischer und psychosozialer Faktoren

Es gibt unterschiedliche Annahmen, wann und wie Depressionen entstehen. Die möglichen Ursachen und Einflussfaktoren sind vielfältig. Unbestritten ist, dass das sogenannte Vollbild einer Depression aus einem komplexen Zusammenspiel biologischer und psychosozialer Faktoren entsteht. Es gibt Hinweise, dass eine veränderte oder verminderte Übertragung bestimmter Botenstoffe im zentralen Nervensystem eine Rolle spielt. Hier setzen die meisten medikamentösen Therapien an. Bei der vergleichsweise neuen Wirkstoffklasse der SNRI sollen gleich zwei dieser Botenstoffe (Neurotransmitter) beeinflusst werden: Sie hemmen die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin.

Studienlage ist gut

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden insgesamt 78 Studien, die sie in die Bewertung einbeziehen konnten. 16 verglichen Duloxetin (Hersteller: Lilly) mit einem Scheinmedikament oder einem anderen Antidepressivum, 60 stellten Venlafaxin (Hersteller: Wyeth) in derselben Weise auf den Prüfstand, zwei Studien verglichen die beiden Wirkstoffe direkt miteinander.

Insgesamt schätzt das IQWiG die Studienlage als gut ein: Beide Substanzen sind in großen, methodisch hochwertigen Studien untersucht, so dass die Datenbasis ausreicht, um bei der Nutzenbewertung zu belastbaren Ergebnissen zu kommen. Die Hersteller der beiden untersuchten Präparate (Lilly und Wyeth) stellten umfangreiche bisher unveröffentlichte Daten zur Verfügung.

In diesen Studien wird der der Medikamente zumeist anhand von Skalen gemessen, bei denen Patienten und/oder medizinisches Personal die Veränderung der Symptomatik dokumentieren. Zielgrößen der Nutzenbewertung des IQWiG waren neben der Veränderung der depressiven Symptomatik auch die Sterblichkeit, Suizidalität, Lebensqualität sowie unerwünschte Arzneimittelwirkungen.

Patienten sprechen auf beide Substanzen besser an als auf Placebo

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen dabei zu der vorläufigen Schlussfolgerung, dass in der Akut-Therapie Patientinnen und Patienten auf beide Wirkstoffe besser ansprechen als auf ein Scheinmedikament und die Symptome gelindert werden oder bei einigen sogar so weit verschwinden, dass sie die Kriterien für die Diagnose "Depression" nicht mehr erfüllen. Für Venlafaxin, nicht aber für Duloxetin, zeigt sich auch ein Vorteil gegenüber einer anderen Substanzklasse von Antidepressiva, den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI). Im direkten Vergleich zwischen Venlafaxin und Duloxetin erweist sich kein Medikament dem anderen überlegen in Hinblick auf die Linderung der depressiven Symptome.

Was die Prävention von Rückfällen betrifft, gibt es zumindest einen Hinweis, dass Betroffene von Duloxetin und Venlafaxin mehr profitieren als von einem Scheinmedikament. Im Unterschied zu Duloxetin gibt es bei Venlafaxin auch Belege, dass das Medikament wirkungsvoller vor dem erneuten Auftreten von Symptomen schützt (Rezidivprophylaxe) als .

In Hinblick auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität, ist für Duloxetin ein Vorteil gegenüber nachgewiesen, für Venlafaxin nicht. In den beiden Studien, die die beiden Substanzen direkt miteinander vergleichen, zeigte sich jedoch kein relevanter Unterschied.

Venlafaxin hat Vorteile bei Nebenwirkungen

Anders stellt sich die Situation bei den unerwünschten Arzneimittelwirkungen dar: Im direkten Vergleich ist Venlafaxin Duloxetin überlegen, da weniger Patienten die Therapie wegen Nebenwirkungen abbrachen. Beide Substanzen schneiden hier aber schlechter ab als SSRI.

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Die erste Version des Berichtsplans war bereits Ende März 2006 publiziert und Ende September 2007 durch ein Amendment ergänzt worden. Nach dem Stellungnahmeverfahren wurde Ende Mai 2008 der überarbeitete (Version 2.0) - zeitgleich mit den Stellungnahmen und deren Würdigung - im Internet veröffentlicht.

Zu dem jetzt vorgelegten, zusammen mit externen Sachverständigen erarbeiteten können interessierte Personen und Institutionen bis zum 09. Januar 2009 schriftliche Stellungnahmen abgeben. Diese werden - wie beim - gesichtet und ausgewertet. Bleiben Fragen offen, können die Stellungnehmenden zu einer mündlichen Erörterung eingeladen werden. Danach wird der überarbeitet und als an den Auftraggeber, den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), weitergeleitet.

Dieser ist Teil eines umfassenden Auftragspakets zu Antidepressiva: In zwei getrennten Berichten untersucht das IQWiG zudem die Wirkstoffe Bupropion, Mirtazapin und Reboxetin sowie selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) .

Kontakt: Tel. 0221-35685-0, info@iqwig.de

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