05.06.2007
Asthma-Therapie: Fixkombinationen sind Gabe von Einzelkomponenten nicht überlegen
Bei Verwendung gleicher Inhalationssysteme liefern Studien für beide Darreichungsformen ähnliche Ergebnisse
Nicht alle Patienten mit Asthma bronchiale sind mit Kortikosteroiden (ICS) ausreichend behandelt. Für sie kommt eine Kombinationstherapie mit lang wirksamen Beta-2-Rezeptoragonisten (LABA) in Betracht. Die beiden Substanzgruppen können getrennt, mit zwei Inhalatoren eingenommen werden. Seit einigen Jahren gibt es aber auch Kombinationspräparate, bei denen ein Gerät beide Wirkstoffe in einem festen Mischungsverhältnis abgibt.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat deshalb überprüft, ob Patienten von den neueren Fixkombinationen stärker profitieren als von Einzelgaben der gleichen Wirkstoffe oder umgekehrt. Nutzen und Schaden gegeneinander abwägend, kommen sie in ihrem am 1. Juni 2007 veröffentlichten Abschlussbericht zu der Schlussfolgerung, dass es keine wissenschaftlichen Belege für eine Überlegenheit einer der beiden Darreichungsformen gibt. Werden die gleichen Inhalationssysteme verwendet, liefern die derzeit verfügbaren Studien für die fixe und die freie Kombination vielmehr ähnliche Ergebnisse.
Symbicort, Viani und Atmadisc auf dem Prüfstand
Den Nutzen für den Patienten macht das IQWiG unter anderem daran fest, ob sich die Schwere der Asthmasymptome und die Anzahl akuter Verschlechterungen der Erkrankung (Exazerbationen) verringern, ob Patienten seltener ins Krankenhaus oder zum Arzt müssen und ob eine der Therapie-Varianten weniger unerwünschte Nebenwirkungen hat. Zu den im Bericht definierten Zielgrößen gehören auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität, körperliche Belastbarkeit sowie Einschränkungen bei Aktivitäten des täglichen Lebens.
Der Bericht vergleicht Fixkombinationen aus Budesonid und Formoterol (Handelsname: Symbicort) und aus Fluticason und Salmeterol (Handelsnamen: Viani und Atmadisc) mit der jeweils getrennten Inhalation der gleichen Wirkstoffe. Außerdem wogen die Wissenschaftler die verschiedenen Fixkombinationen gegeneinander ab. Sie fanden dabei aber keine Hinweise auf eine Überlegenheit eines dieser Kombinationspräparate.
Veränderte Zulassung wird in Folgeprojekt bearbeitet
Die inzwischen ebenfalls auf dem Markt befindliche Fixkombinationen der Wirkstoffe Beclometasondipropionat und Formoterol (Handelsnamen: Foster, Inuvair) wurde nicht untersucht, weil diese in Deutschland noch nicht zugelassen waren, als das IQWiG mit seiner Bewertung begann. Dies gilt auch für den Einsatz der Fixkombination von Budesonid und Formoterol (Symbicort) in der so genannten Bedarfstherapie (Herstellerbezeichnung SMART). Beide Neuerungen werden deshalb in einem Folgeprojekt bewertet.
Nur wenige Daten für Kinder verfügbar
In die Bewertung haben die IQWiG-Mitarbeiter 11 Studien einbezogen. Insgesamt stuft der Abschlussbericht die Anzahl und die Qualität der verfügbaren Studien als hinreichend ein, um verlässliche Aussagen für Jugendliche und Erwachsene zu treffen. Anders sieht die Situation bei Kindern aus. Hier lag dem IQWiG nur eine Studie zu Viani vor. Zu Symbicort im Vergleich zur Gabe der Wirkstoffe in zwei Inhalern wurde keine Publikation identifiziert.
Studien zur Therapietreue fehlen ganz
Ein Argument für die Fixkombinationen ist die Annahme, dass sie die Therapietreue (Adhärenz) der Patienten verbessern. Für diese Annahme fand das IQWiG aber keine Bestätigung. Hierzu fehlen Studien mit einem angemessenen Design. Zudem stellt die Therapietreue an sich noch keinen Zusatznutzen dar. Dieser entsteht erst, wenn eine bessere Adhärenz auch zu besseren Ergebnissen bei patientenrelevanten Endpunkten wie beispielsweise Atemnot führt.
Das IQWiG widerspricht Behauptungen, wonach der Nachweis für einen besseren Therapieerfolg als Folge höherer Therapietreue in randomisierten klinischen Studien (RCT) nicht zu erbringen sei, weil sich Patienten hier ohnehin strenger an Vorgaben zur Einnahme der Medikamente hielten. Nach Auffassung der Kölner Wissenschaftler können auch RCTs, bei denen die Patienten zufällig einer der zur vergleichenden Gruppen zugeordnet werden, einen "Behandlungsalltag" realistisch abbilden. Voraussetzung ist dabei u.a., dass die Patienten keine besonderen, die Adhärenz beeinflussenden Anforderungen erfüllen müssen, die es in ihrem Alltag nicht gibt. Dazu gehört etwa, genau aufzuschreiben, wann sie welche Medikamente einnehmen.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Den Vorbericht hatte das IQWiG am 18. Januar 2007 im Internet publiziert und zur Diskussion gestellt. Offene Fragen aus den insgesamt 19 Stellungnahmen, die dazu beim IQWiG eingingen, wurden am 6. März 2007 mit den Autoren in Köln diskutiert. Das Protokoll dieser mündlichen Erörterung sowie die Stellungnahmen selbst sind im Anhang des Abschlussberichts dokumentiert. Mit den Argumenten der Stellungnahmen setzt sich der Bericht insbesondere im Kapitel "Diskussion" (S. 125-137) detailliert auseinander. Der Abschlussbericht wurde vor dem in Kraft treten des GKV-WSG (1. April 2007) erstellt, abgeschlossen und dem Auftraggeber zugeleitet.
Vorläufiger Berichtsplan zu Folgeauftrag steht zur Diskussion
Am 6. März 2007 hat der G-BA einen Ergänzungsauftrag erteilt: Das IQWiG soll darin auch die Fixkombinationen bewerten, die neu auf den Markt gekommen beziehungsweise neuerdings breiter eingesetzt werden können. Den vorläufigen Berichtsplan für diese Bewertung hat das IQWIG zeitgleich mit dem Abschlussbericht, am 5. Juni 2007, im Internet veröffentlicht und um Stellungnahmen gebeten. Bis zum 3. Juli 2007 können interessierte Personen und Institutionen Kommentare zu dort dargestellten berichtsspezifischen Methodik abgeben. Die Ergebnisse beider Aufträge werden abschließend vom IQWiG zusammengeführt und sollen dann als Entscheidungsgrundlage für den G-BA dienen.