04.10.2006
Vorbericht zum Neugeborenen-Hörscreening veröffentlicht
Hinweise auf verbesserte Sprachentwicklung / Früherkennung muss strengen Qualitätsanforderungen genügen
Hörstörungen bei Kindern können in vielen Fällen behandelt werden. Allerdings dauert es gerade bei Kindern mit angeborener Schwerhörigkeit oder Taubheit derzeit mehrere Monate, bis die Hörstörung erkannt wird. Fachleute diskutieren deshalb bereits seit längerem, ob es sinnvoll ist, alle Neugeborenen schon in den ersten Lebenstagen einem Hörtest zu unterziehen.
Wissenschaftler des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) haben den Stand des Wissens über den Nutzen eines solchen "Universellen Neugeborenen-Hörscreenings" jetzt untersucht und ihre vorläufigen Ergebnisse am 4. Oktober veröffentlicht. Bis zum 02. November 2006 nimmt das IQWiG zu seinem Vorbericht Stellungnahmen entgegen, die bei Bedarf in einer mündlichen Erörterung diskutiert werden sollen. Substanzielle Einwände und Ergänzungen aus den Stellungnahmen werden dann in einen Abschlussbericht einfließen. Dieser wird an den Auftraggeber, den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) weitergeleitet, der die Expertise des IQWiG für seine Entscheidungen nutzt.
Die IQWiG-Wissenschaftler kommen zu der vorläufigen Schlussfolgerung, dass über den Nutzen eines Früherkennungsprogramms (englisch: screening) für Kinder mit angeborenen Hörstörungen kein abschließendes Urteil möglich ist. Nach den im Vorbericht bewerteten Studien führen solche Programme dazu, dass angeborene Hörstörungen in der Tat im Durchschnitt früher erkannt werden. Zudem gibt es Hinweise, dass im Rahmen von Früherkennungsprogrammen entdeckte Kinder mit Hörstörungen eine bessere Sprachentwicklung aufweisen.
Allerdings fehlen zuverlässige Studien, die der Frage nachgegangen sind, wie sich eine frühere Diagnose auf die weitere Entwicklung des Kindes auswirkt, zum Beispiel auf die soziale oder spätere schulische Situation. Da derartige Studien sehr langwierig sein können, ist für diese Nutzenaspekte in absehbarer Zeit nicht mit abschließenden Antworten zu rechnen. Die Entscheidung für oder gegen die Einführung eines solchen Programms lässt sich also nicht auf eine sichere wissenschaftliche Grundlage stellen.
Zeitnahe Versorgung muss sichergestellt sein
Die Recherche der IQWiG-Forscher zeigt auch, dass ein Nutzen nur dann erwartet werden kann, wenn ein Programm zur Früherkennung von angeborenen Hörstörungen strengen Qualitätsanforderungen genügt: Sie müssen sicherstellen, dass im Screening auffällige Kinder nachuntersucht und diagnostizierte Kinder mit behandlungsbedürftiger Hörstörung zeitnah versorgt werden.
Man muss davon ausgehen, dass in Deutschland etwa 1 bis 2 von 1000 Kindern von einer angeborenen Schwerhörigkeit oder Taubheit betroffen sind. Da die zur Untersuchung der Neugeborenen eingesetzten Testverfahren nicht fehlerfrei arbeiten, sind falsche Befunde unvermeidbar. Eine strenge Qualitätskontrolle ist nötig, um zu garantieren, dass die Rate solcher Fehler möglichst klein bleibt. Zudem genügt es nicht, Eltern nur die Untersuchung anzubieten. Denn ein weiteres Ergebnis des Vorberichtes ist, dass ohne ein umfassendes organisatorisches und medizinisches Konzept nicht gewährleistet ist, dass Kinder mit einer identifizieren Hörstörung dann auch tatsächlich ohne unnötige Verzögerung weiter versorgt werden.
Kontakt: Tel. 0221-35685-0, info@iqwig.de