26.09.2006
Interstitielle Brachytherapie: Vorläufiges Ergebnis der Nutzenbewertung liegt vor
Institut nimmt Stellungnahmen zum Vorbericht entgegen / Nutzen bei lokal begrenztem Prostatakarzinom nicht belegt
Bislang ist kein Urteil möglich, wie die interstitielle Brachytherapie zur Behandlung eines lokal begrenzten Prostatakarzinoms im Vergleich zu den beiden wichtigsten alternativen Behandlungsmethoden zu bewerten ist: Aus den vorliegenden Daten lässt sich weder Über- noch Unterlegenheit ableiten, aber auch keine Gleichwertigkeit. Zu diesem vorläufigen Ergebnis kommt der Vorbericht, den das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) am 26. September publiziert und zur Diskussion gestellt hat. Bis zum 23. Oktober 2006 nimmt das IQWiG Stellungnahmen entgegen, die bei Bedarf in einer mündlichen Erörterung diskutiert werden sollen. Substanzielle Einwände und Ergänzungen aus den Stellungnahmen werden in den Abschlussbericht einfließen. Dieser wird an den Auftraggeber, den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) weitergeleitet, der die Expertise des IQWiG für seine Entscheidungen nutzt.
Prostatakrebs gilt als potenziell heilbar, solange der Tumor auf das Innere des Organs begrenzt ist. Für die Behandlung solch eines lokal begrenzten Tumors stehen vor allem drei Möglichkeiten zur Verfügung: Neben der kompletten operativen Entfernung der Prostata - der Prostatektomie - und der konventionellen Strahlentherapie ("perkutane Strahlentherapie") ist das die so genannte permanente interstitielle LDR-Brachytherapie (LDR = Low Dose Rate). Bei dieser Behandlung werden über spezielle Nadeln kleine radioaktive Partikel dauerhaft in das Innere der Prostata eingebracht, die den Tumor vor Ort gezielt bestrahlen sollen.
Der G-BA hatte das IQWiG beauftragt, die zunehmend häufiger eingesetzte interstitielle Brachytherapie hinsichtlich patientenrelevanter Therapieziele zu bewerten und dabei mit der operativen Entfernung der Prostata und der konventionellen Strahlentherapie zu vergleichen. Ursprünglich war geplant, auch das so genannte kontrollierte Zuwarten (watchful waiting) als weitere Behandlungsoption in die Bewertung mit einzubeziehen, was mangels adäquater Studien aber nicht möglich war.
Keine belastbaren Aussagen zum Überleben möglich
Generell schätzen die Kölner Forscher die Studienlage als unzureichend ein: Weil randomisierte kontrollierte Studien (RCT) für die Fragestellung des Auftrags gänzlich fehlen, mussten sie sich auf nicht randomisierte Interventions- und Beobachtungsstudien stützen. Voraussetzung war, dass diese Studien eine zeitlich parallele Kontrollgruppe in die Betrachtung mit eingeschlossen haben. Alle vom IQWiG in die Bewertung einbezogenen Studien wiesen jedoch methodische Mängel auf, die die Aussagekraft ihrer Ergebnisse schwächen.
Wie die systematische Übersichtsarbeit des IQWiG zeigt, gibt es Hinweise, dass die Brachytherapie die Sexualität weniger beeinträchtigt und seltener zu Harninkontinenz führt als eine operative Entfernung der Prostata. Im Vergleich zur konventionellen Strahlentherapie könnte sich die Brachytherapie weniger nachteilig auf die Enddarmfunktion auswirken. Diese Hinweise reichen aber nach Ansicht der Kölner Wissenschaftler nicht für einen Nutzenbeleg aus, weil bislang nicht dokumentiert ist, dass diese Therapie im Hinblick auf das (krankheitsfreie) Überleben der Patienten zumindest gleichwertige Ergebnisse verspricht wie die alternativen Behandlungsmöglichkeiten. Es ist also nicht sicher auszuschließen, dass bei einer Brachytherapie die Überlebenszeit oder das krankheitsfreie Überleben geringer ausfallen und den Patienten damit ein Schaden entstehen könnte. Auch zu krankheitsbedingten Beschwerden lassen die verfügbaren Studien keine belastbaren Aussagen zu.
In seiner Grundaussage bestätigt der IQWiG-Vorbericht die Ergebnisse anderer aktueller systematischer Übersichten und HTA-Berichte: In allen wird ein Mangel an interpretierbaren Studien beklagt, so dass die offenbar rasche und unkontrollierte Ausbreitung dieser Methode in der Versorgung bedenklich erscheint. Die IQWiG-Wissenschaftler empfehlen dringend, aussagekräftige klinische Studien durchzuführen, um die Brachytherapie mit konventionellen Behandlungsoptionen zu vergleichen.
Kontakt: Tel. 0221-35685-0, info@iqwig.de