28.04.2005
USA interessieren sich für deutsches Reformmodell
IQWiG-Leiter erläutert Arbeit des Instituts im amerikanischen Kongress
In den USA wächst das Interesse am deutschen Gesundheitswesen und der jüngsten Gesundheitsreform. Das deutsche Modell der Selbstverwaltung wird durchaus positiv bewertet. Diesen Eindruck gewann IQWiG-Leiter Prof. Peter T. Sawicki bei seinem Vortrag im amerikanischen Kongress in Washington. "Beeindruckt hat meine Gesprächspartner vor allem die klare Trennung zwischen wissenschaftlicher Bewertung medizinischer Maßnahmen und der politischen Entscheidung darüber, was die Gemeinschaft finanziert", erläuterte Peter Sawicki am 27. April bei einem Pressegespräch in Berlin.
Peter Sawicki war gemeinsam mit je einem Wissenschaftler aus Großbritannien und aus Canada zu dem Experten-Hearing am 22. April nach Capitol Hill eingeladen worden. Dass sich US-Gesundheitspolitiker Rat aus dem Ausland holen, ist ungewöhnlich. Doch der Beratungsbedarf ist derzeit auch ungewöhnlich hoch: Es wird befürchtet, dass die Arzneimittelausgaben für den aus Steuermitteln finanzierten Gesundheitsdienst "Medicare" in den Jahren 2007 bis 2016 um 700 Milliarden Dollar ansteigen werden. Die noch unter Präsident Bill Clinton auf den Weg gebrachte Teil-Reform der Krankheitsversorgung für alte Menschen sieht vor, dass künftig auch Arzneimittel erstattet werden. Bislang entscheiden Patienten und Ärzte individuell, was verordnet wird. Eben daraus resultiert der erwartete horrende Ausgabenanstieg.
US-Gesundheitspolitiker suchen deshalb nach einem System, mit dem der potenziell ungebremste Medikamentenverbrauch - und damit die staatlichen Ausgaben - gesteuert werden kann. "Evidence Based Medicine ist die geeignete medizinisch-wissenschaftliche Basis, das ist in den USA - wie auch international - inzwischen unbestritten", berichtet Peter Sawicki. "Offen ist aber die Frage, wer nach welchem Verfahren entscheiden soll. Man sucht nach einer belastbaren Entscheidungsstruktur, die den Missbrauch durch einzelne Interessengruppen möglichst ausschließt."
Bei den Lösungen, die England und Canada gewählt haben, sieht Sawicki erhebliche Nachteile: Bei NICE (National Institute for Health and Clinical Excellence) könne sich ungünstig auswirken, dass der Staat die Entscheidungskompetenz über die medizinischen Inhalte habe. In Canada finde die Evaluation medizinischer Maßnahmen unter der Prämisse der Einhaltung von Budgetgrenzen statt, was zu einer Art "Schere im Kopf" bei den Wissenschaftlern führen könne.
"Meine Reise hat mich darin bestärkt, dass wir in Deutschland ein gut ausbalanciertes System entwickelt haben: Das IQWiG bewertet nach rein wissenschaftlichen Kriterien den Patientennutzen, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidet, was die Solidargemeinschaft finanziell trägt und was nicht und das Bundesgesundheitsministerium führt die Rechtsaufsicht." Seine amerikanischen Gesprächspartner seien sehr höflich gewesen. "Aber irgendwie wurde ich den Eindruck nicht los, dass sie mir nicht recht glauben wollten, dass wir das in Deutschland tatsächlich so organisiert haben", sagt Sawicki.
Organisiert wurde die Veranstaltung gemeinsam von der "Alliance for Health Reform" unter Vorsitz von Senator Jay Rockefeller (Demokratische Partei) und dem Commonwealth Fund. Sie ist ausführlich im Internet dokumentiert.
Kontakt: Tel. 0221/35685-0