06.02.2006

Mindestmengen für Knie-TEP sind aus verfügbaren Routinedaten nicht ableitbar

Modellrechnung kommt bei Qualitätsindikatoren "Beweglichkeit" und "Wundinfektion" zu widersprüchlichen Ergebnissen

Bei der Knie-Totalendoprothese (Knie-TEP) ist ein statistischer Zusammenhang zwischen Menge und Ergebnisqualität der Eingriffe anhand deutscher Versorgungsdaten nachweisbar. Allgemein gültige Schwellenwerte für Mindestmengen lassen sich daraus aber nicht ableiten. Zum einen ist die Aussagekraft der bisher verfügbaren Daten zu gering. Zum anderen sind die Ergebnisse widersprüchlich: Je nach Qualitätsindikator stellt sich die Relation zwischen der Fallzahl und dem Ergebnis ganz verschieden dar. Zu diesem Schluss kommt ein des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), den die Kölner Wissenschaftler am 6. Februar 2006 vorgelegt haben.

Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sollte das Institut ein Rechenmodell entwickeln, mit dessen Hilfe sich Schwellenwerte für die Knie-TEP ermitteln lassen. Mitarbeiter des IQWiG-Ressorts Biometrie werteten Versorgungsdaten der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) statistisch aus. Einbezogen wurden die Angaben zu 110.349 Patienten mit einer erstmaligen Knie-TEP aus dem Jahr 2004, die mit den Daten von 2003 verglichen wurden.

U-förmiger Verlauf beim Risiko Unbeweglichkeit

Vom benannte Fachexperten für die Knie-TEP bestimmten als Qualitätsindikatoren die Beweglichkeit des Kniegelenks und die Häufigkeit von Wundinfektionen nach der Operation. Außerdem legten sie mögliche Risikofaktoren fest, deren Einfluss berücksichtigt werden sollte. So wurde überprüft, ob beispielsweise das Alter oder der Gesundheitszustand vor der Operation das Ergebnis verzerren. Wie die Kölner Forscher herausfanden, besteht zwischen der Fallzahl und dem "Unbeweglichkeit" kein geradliniger Zusammenhang: Bis zu einer Menge von etwa 400 Knie-TEP-Operationen je Krankenhaus und Jahr sinkt das , nach dem Eingriff nur ein eingeschränkt bewegliches Kniegelenk zu haben ab. Ab einer Fallzahl von rund 500 steigt es aber wieder stark an. Grafisch dargestellt, ergibt sich ein U-förmiger Verlauf. Ganz anders stellt sich die Situation beim Qualitätsindikator "Infektion" dar: Die Rate der Wundinfektionen sinkt gleichförmig mit wachsender Menge der Eingriffe, allerdings ist die sehr gering. Die Informationen aus der IQWiG-Modellrechnung sind also widersprüchlich: Höhere Mindestmengen sind auf Basis der BQS-Daten möglicherweise für den Indikator "Infektion" geeignet, für den Indikator "Beweglichkeit" sind sie dagegen nicht zu empfehlen.

Aussagekraft der Daten stark eingeschränkt

Seine Ergebnisse hält das IQWiG aber auch aus einem anderen Grund für ungeeignet, um daraus Konsequenzen für die Versorgung zu ziehen: "Die Qualität der derzeit verfügbaren Daten ist höchst unklar und die Aussagekraft der Ergebnisse deshalb stark eingeschränkt", erläutert IQWiG-Projektleiter PD Dr. Ralf Bender. Zur Verfügung standen den Wissenschaftlern routinemäßig erhobene Daten, die von den Kliniken selbst an die BQS berichtet werden. Beispielsweise machten die Kliniken beim Qualitätsindikator "Unbeweglichkeit" in vielen Fällen unplausible Angaben, die deshalb nicht verwertbar waren. Zudem blieb unklar, zu welchem Zeitpunkt die Beweglichkeit gemessen wurde. "Selbst wenn unsere Berechnungen eindeutige Aussagen zugelassen hätten, könnte man daraus nicht unmittelbar konkrete Mindestmengen ableiten", so Bender. Aus einem statistischen Zusammenhang aus Routinedaten lässt sich nach Auffassung der Kölner Forscher ohnehin kein evidenzbasierter Nachweis für Schwellenwerte erbringen. Dies sei nur durch kontrollierte Interventionsstudien möglich. Der umfasst knapp 60 Seiten und enthält auch die zum eingereichten Stellungnahmen. Er ist auf der Website unter www.iqwig.de als PDF abrufbar.

Zum Hintergrund

Mindestmengen wurden in Deutschland erstmalig mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz (§137 SGB V) eingeführt. Ärzte und Krankenhäuser dürfen bestimmte Eingriffe nur noch dann vornehmen, wenn sie dies mit einer bestimmten Häufigkeit tun. Die Partner der Selbstverwaltung hatten sich 2003 darauf verständigt, ab 2004 für fünf Indikationen Mindestmengen zu definieren (Leber-, Nieren- und Stammzelltransplantation sowie komplexe Eingriffe an Speiseröhre und Bauchspeicheldrüse).

Im September 2004 nahm der auch koronarchirurgische Eingriffe und Knie-TEP in den so genannten Katalog planbarer Leistungen auf, machte aber noch keine konkreten Zahlenangaben. Den Auftrag an das IQWiG, Mindestmengen für Knie-TEP zu ermitteln, hatte der am 22.12.2004 erteilt und am 9.6.2005 neu formuliert. Bereits am 16.8.2005 hat der in seiner für die Krankenhausbehandlung zuständigen Besetzung eine verbindliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP-Eingriffen pro Krankenhaus und Jahr festgelegt. Die Regelung trat zum 1.1.2006 in Kraft. Der Auftrag an das IQWiG blieb von der Entscheidung unberührt.

Anfang Dezember 2005 gab der ein auf zwei Jahre angelegtes und mit 180.000 Euro ausgestattetes Forschungsprojekt in Auftrag, bei dem die Auswirkungen der beschlossenen Mindestmengen auf die Behandlungsqualität und auf die Krankenhauslandschaft untersucht werden sollen.

Kontakt: Tel. 0221/35685-0

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