03.12.2024
Visusbeeinträchtigungen durch Makulaödeme: Zusatznutzen von Faricimab nicht belegt
Der Hersteller versäumt es, eine Studie aufzulegen, in der das Dosierungsschema individuell angepasst werden kann, so wie von der Fachinformation vorgegeben.
Erneut zeigt sich: Wenn keine relevante Studie vorliegt, dann meist nicht deshalb, weil es nicht möglich ist, sondern deshalb, weil der Hersteller sich bewusst dagegen entscheidet. Hier muss der Gesetzgeber beim AMNOG dringend nachsteuern, damit in Zukunft mehr versorgungsrelevante Studien durchgeführt werden.
Seit Juli 2024 ist Faricimab in Europa auch zur Behandlung von Visusbeeinträchtigungen durch Makulaödeme infolge eines retinalen Venenverschlusses zugelassen. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat nun in einer frühen Nutzenbewertung untersucht, ob Faricimab den Patientinnen und Patienten Vorteile gegenüber Ranibizumab oder Aflibercept bietet. Der Hersteller legte jedoch keine geeigneten Daten vor. Daher gibt es keinen Nachweis für einen Zusatznutzen von Faricimab gegenüber den Vergleichstherapien.
Zwar reichte der Hersteller mit seinem Dossier Ergebnisse der abgeschlossenen RCTs (Randomized Controlled Trials) BALATON und COMINO ein, in denen Faricimab und Aflibercept miteinander verglichen wurden. Jedoch entsprachen die Behandlungsschemata in beiden Studien nicht den Vorgaben der Fachinformationen: Die Patientinnen und Patienten wurden auch bei stabilem Befund weiterbehandelt, eine individuelle Anpassung der Dosierungsschemata war in der Studienphase, in der Faricimab mit Aflibercept verglichen wurde, nicht möglich. Somit waren die Studien nicht für die Nutzenbewertung geeignet.
Hintergrund: Gemäß jeweiliger Fachinformation sollte die Behandlung mit Faricimab oder Aflibercept zunächst alle vier Wochen erfolgen, wobei möglicherweise drei oder mehr aufeinanderfolgende monatliche Injektionen erforderlich sind. Anschließend sollte die Behandlung individuell entsprechend eines „Treat-and-Extend“-Dosierungsschemas angepasst werden, abhängig von der Krankheitsaktivität. Anhand der Daten, unter anderem zur bestkorrigierten Sehschärfe, ist zu erkennen, dass bei einem großen Anteil der Patientinnen und Patienten in den Studien BALATON und COMINO bereits nach acht bis zwölf Wochen eine Stabilisierung erreicht wurde. Laut Studiendesign war eine individuelle Anpassung des Dosierungsschemas aber erst in der zweiten, nicht mehr vergleichend angelegten Studienhälfte ab Woche 24 möglich, in der zudem alle Patientinnen und Patienten eine Therapie mit Faricimab erhielten. Demnach ist ein relevanter Anteil der Patientinnen und Patienten – trotz stabilen Befundes – mit einem unveränderten Behandlungsschema weiterbehandelt worden und es liegen keine Daten zu einem Vergleich von individualisierten Dosierungsschemata von Faricimab und Aflibercept vor.
Laut European Public Assessment Report hatte die European Medicines Agency (EMA) dem Hersteller im Rahmen ihrer Beratung explizit empfohlen, eine Studie mit einem Treat-and-Extend-Dosierungsschema in beiden Studienarmen aufzusetzen. Dem ist der Hersteller nicht gefolgt.
Dass es auch anders geht, zeigt die RCT TALON, in der Brolucizumab und Aflibercept zur Behandlung der neovaskulären (feuchten) altersabhängigen Makuladegeneration miteinander verglichen werden. In der TALON-Studie wird in beiden Armen ein Treat-and-Extend-Schema eingesetzt, das eine patientenindividuelle Anpassung der Behandlungsintervalle abhängig von der Krankheitsaktivität erlaubt. Die Studie war deshalb für die Anfang 2024 durchgeführte frühe Nutzenbewertung des Wirkstoffs Brolucizumab geeignet.
G‑BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens
Die Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der G‑BA verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der G‑BA ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.