16.01.2023

Vutrisiran bei hereditärer Transthyretin-Amyloidose: Anhaltspunkt für geringen Zusatznutzen

Der Hersteller hat die reguläre frühe Nutzenbewertung für sein Orphan Drug vorgezogen, was seit 2019 möglich ist. Weniger vielversprechende neue Wirkstoffe profitieren weiterhin von der Zusatznutzenfiktion.

Der Wirkstoff Vutrisiran ist zugelassen zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit hereditärer Transthyretin-Amyloidose (kurz: hATTR-Amyloidose) mit einer Polyneuropathie der Stadien 1 oder 2. Wie alle Wirkstoffe gegen seltene Erkrankungen, die unter der gesetzlich festgelegten Mindestumsatzschwelle von 50 bzw. neuerdings 30 Millionen € im Jahr bleiben, hätte Vutrisran keine reguläre frühe Nutzenbewertung durchlaufen müssen. Der Hersteller entschied sich aber, bereits jetzt ein Nutzenbewertungsverfahren zu initiieren. Diese Option ist 2019 mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) eingeführt worden. In seiner Dossierbewertung findet das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) einen Anhaltspunkt für einen geringen von Vutrisiran gegenüber Patisiran.

Studie zeigt Vorteile bei Nebenwirkungen

Das Dossier des Herstellers beruht auf einer offenen randomisierten kontrollierten Studie, die noch läuft. Die Behandlungsphase – 18 Monate lang entweder Vutrisiran subkutan alle 3 Monate oder Patisiran intravenös alle 3 Wochen – ist bereits abgeschossen. In den Endpunkt-Kategorien , und gesundheitsbezogene Lebensqualität zeigen sich keine Effektunterschiede zwischen den Studienarmen. Bei den Nebenwirkungen hat Vutrisiran gegenüber Patisiran positive Effekte (geringerer Schaden). Vermutlich schlägt sich in der Erhebung der Nebenwirkungen zum Teil auch eine Besserung der Erkrankungssymptome nieder.

Da die Daten aus einer einzelnen unverblindeten Studie stammen und sich die Beobachtungsdauer zwischen den Armen systematisch unterscheidet, lautet das Ergebnis: Es gibt einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen von Vutrisiran im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie. Offen bleibt, ob die beobachteten Effekte auf Patientinnen und Patienten übertragen werden können, die schwerer betroffen sind als die Studienpopulation.

Gesetzeslage ermöglicht Rosinenpicken

„Für Menschen mit hATTR-Amyloidose ist das Ergebnis der vorgezogenen frühen Nutzenbewertung erfreulich“, konstatiert Daniela Preukschat, die im IQWiG-Ressort Arzneimittelbewertung den Bereich chronische Erkrankungen leitet. „Zugleich weist dieser Vorgang auf ein grundlegendes Problem der Nutzenbewertung von Medikamenten gegen seltene Erkrankungen hin: Während die Hersteller die besten Pferde im Stall so schnell wie möglich ins Rennen schicken, schöpfen sie bei allen anderen Orphan Drugs in ihrem Portfolio das Privileg des fiktiven Zusatznutzens voll aus. Wir meinen nach wie vor, dass diese kostspielige Sonderregelung abgeschafft werden sollte. Denn in mehr als der Hälfte der Orphan Drugs, die später eine reguläre Nutzenbewertung durchlaufen, bestätigt sich der postulierte Zusatznutzen nicht.“

G‑BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

Die Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der G‑BA ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens. Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem allgemein verständliche Informationen.

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