02.06.2023

Fibromatosen an Hand und Fuß: unzureichende Wissenslage zur Strahlentherapie

Beauftragtes Wissenschaftsteam kann nur eine publizierte Studie mit erheblichen Schwachpunkten identifizieren, aus der sich keine allgemeinen Empfehlungen ableiten lassen.

Im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter Federführung der Medizinischen Hochschule Hannover untersucht, ob der frühe Einsatz der Strahlentherapie bei der Behandlung von Fibromatosen an Hand oder Fuß den Betroffenen Vorteile gegenüber den bisher üblichen Injektionen oder Operationen bietet.

Der vorliegende macht deutlich, dass es für die Strahlentherapie bei Fibromatosen an Hand und Fuß keine gesicherte Wissenslage gibt. Für Morbus Ledderhose (Fibromatosen am Fuß) wurden keine publizierten Studien identifiziert, für Morbus Dupuytren (Fibromatosen an der Hand) lediglich eine Studie, die aber erhebliche methodische Schwachpunkte aufweist.

Anfrage einer Bürgerin war Ausgangspunkt des ThemenCheck-Berichts

Fibromatosen sind gutartige Wucherungen des Bindegewebes, bei der sich das Gewebe verdickt und verhärtet, sodass sich knoten- oder strangförmige Knubbel bilden. Diese können sich sehr unterschiedlich verhalten: Manche bleiben lange unverändert oder wachsen nur langsam, andere vergrößern sich schnell. Nur selten entwickeln sie sich von selbst zurück.

Treten Fibromatosen an der Innenfläche der Hand bis hin zu den Fingern auf, spricht man von Morbus Dupuytren. Zu Beginn lösen die Fibromatosen meist keine Schmerzen aus. Schreitet die Krankheit aber voran, krümmen sich die Finger zunehmend nach innen und werden steifer. Betroffene können die Hand dadurch immer schlechter nutzen, um zum Beispiel Gegenstände zu greifen. Dann kann das Greifen auch schmerzen. An der Fußsohle wird die Erkrankung Morbus Ledderhose genannt. Betroffene haben meist Schmerzen beim Gehen, brauchen im fortgeschrittenen Stadium teilweise Gehhilfen oder können sogar nicht mehr Auto fahren.

Für beide Erkrankungen gibt es derzeit keine heilende Therapie. Die bisher angewendeten Behandlungen (Operationen, Strahlentherapie, Injektionen) zielen darauf ab, das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern, Schmerzen zu lindern und Funktionsdefizite zu mindern.

Da es bei einem operativen Eingriff immer auch zu unerwünschten Wirkungen kommen kann, stellte eine Bürgerin im Rahmen des IQWiG-Verfahrens ThemenCheck Medizin die Frage, welche therapeutischen Alternativen es bei Fibromatosen an Hand und Fuß gibt und zu welchem Zeitpunkt diese am besten eingesetzt werden sollten. Ihr besonderes Interesse galt dabei der Strahlentherapie.

Evidenzlage insgesamt schlecht

Die vom IQWiG beauftragten externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler suchten systematisch nach Studien, die die Strahlentherapie bei Betroffenen mit Morbus Dupuytren oder Morbus Ledderhose mit einem Vorgehen ohne Strahlentherapie vergleichen.

Zu Morbus Ledderhose konnten sie keine Studien finden – außer einer laufenden, kontrollierten und randomisierten Studie ohne bisher publizierte Ergebnisse.

Für Morbus Dupuytren identifizierte das Wissenschaftsteam ebenfalls eine laufende, kontrollierte und randomisierte Studie ohne bisher veröffentlichte Ergebnisse. Darüber hinaus gibt es zwar eine Studie, in der eine Strahlentherapie mit einer abwartenden Strategie verglichen wird. Diese Studie hat aber erhebliche methodische Mängel, sodass die Ergebnisse der Studie nur mit großer Zurückhaltung interpretiert werden können. Unter anderem erfolgte die Zuteilung der Probanden in die Gruppe „Strahlentherapie“ oder „abwartende Strategie“ nicht nach dem Zufallsprinzip, sondern nach den Präferenzen der Patientinnen und Patienten. Im Ergebnis ist der Anteil der Patientinnen und Patienten mit einer weiter fortgeschrittenen Erkrankung in der Strahlen­therapiegruppe deutlich niedriger als in der Kontrollgruppe – dabei ist der beobachtete Unterschied bei Betroffenen in einem frühen Stadium besonders groß.

Wegen der methodischen Mängel leiten die externen Sachverständigen aus den Studienergebnissen keine allgemeine Empfehlung zum Einsatz der Strahlentherapie bei Morbus Dupuytren ab. Im Einzelfall und nach individueller Aufklärung über das Strahlenrisiko könne die Strahlentherapie aber für Betroffene mit einer Morbus-Dupuytren-Erkrankung im frühen Stadium eine Behandlungsoption sein. Allerdings ermögliche die vorliegende Studie keine Schlussfolgerungen zu möglichen (Spät-)Schäden der Strahlentherapie.

Aus Sicht des IQWiG ist es insgesamt zu früh, um eine Empfehlung für den Einsatz der Strahlentherapie bei Fibromatosen auszusprechen. Es sei zu hoffen, dass die beiden laufenden, randomisierten und kontrollierten Studien zu Morbus Dupuytren und zu Morbus Ledderhose die Wissensbasis verbessern und verlässlichere Aussagen zum und Schaden der Strahlentherapie bei Fibromatosen ermöglichen, schreibt das Institut in seinem Herausgeberkommentar zum .

Der ThemenCheck Medizin

Interessierte können im Rahmen des ThemenChecks Medizin Vorschläge für die Bewertung von medizinischen Verfahren und Technologien einreichen. In einem zweistufigen Auswahlverfahren, an dem auch Bürgerinnen und Bürger beteiligt sind, werden aus den eingereichten Vorschlägen pro Jahr bis zu fünf neue Themen ausgewählt. Laut gesetzlichem Auftrag sollen dies Themen sein, die für die Versorgung von Patientinnen und Patienten von besonderer Bedeutung sind. Die ThemenCheck-Berichte werden nicht vom IQWiG selbst verfasst, sondern von externen Sachverständigen. Deren Bewertung wird gemeinsam mit einer allgemein verständlichen Kurzfassung und einem IQWiG-Herausgeberkommentar veröffentlicht.

Die vorläufigen Ergebnisse des HTA-Berichts „Fibromatosen an Hand (Morbus Dupuytren) und / oder Fuß (Morbus Ledderhose): Profitieren Betroffene von einer Strahlentherapie?“ hatte das Institut im Januar 2023 als vorläufigen ThemenCheck-Bericht veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Bericht überarbeitet und jetzt in seiner finalen Fassung veröffentlicht.

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